Pünktlich zum Auftakt der zweiten Saisonhälfte ließ Ducati die Katze aus dem Sack und präsentierte die neu entwickelte Verkleidung mit den futuristisch anmutenden Schächten, die für Abtrieb sorgen sollen.
Hinter den Kulissen arbeitete Ducati eifrig am mit Spannung erwarteten Aero-Update. Die Italiener standen lange Zeit in engem Kontakt zu MotoGP-Technikdirektor Danny Aldridge, der schlussendlich entscheiden musste, was legal ist und was nicht.
An die seit 2017 verbotenen Winglets, die Lorenzo beim ersten Ducati-Test Ende 2016 verwendete, kommt die Neuentwicklung zwar nicht heran, doch für den Spanier war es dennoch ein deutlicher Fortschritt. Ducati-Mastermind Luigi Dall’Igna geht davon aus, dass die neue Verkleidung 40 Prozent des damaligen Winglet-Abtriebs erzeugt.
„Ich denke, die alten Winglets waren besser, weil man damit weniger Topspeed verloren hat und der Effekt größer war“, kommentiert Lorenzo. „Es wird schwierig sein, dieses Niveau überhaupt wieder zu erreichen. Aber die Hersteller arbeiten natürlich daran.“
Wenig Begeisterung bei Rossi und Sorgen bei Pedrosa
Im MotoGP-Paddock kursieren viele unterschiedliche Meinungen zu Ducatis Aero-Verkleidung. Valentino Rossi ist überzeugt, dass die neuen Regeln ihre Wirkung verfehlt haben: „Die Winglets waren gefährlich und die Regeln sollten solche Konstruktionen verbieten. Ich weiß nicht, ob es richtig war oder nicht. Für mich funktionieren die Regeln nicht. Wir haben jetzt eine ziemlich ähnliche Situation mit der neuen Ducati-Verkleidung.“
WM-Leader Marc Marquez sieht es weniger kritisch: „Ich denke, die großen Winglets im vergangenen Jahr waren gefährlicher“, grübelt der Spanier und betont: „Motorräder sind immer gefährlich. Solange es innerhalb der Regeln ist, habe ich damit kein Problem.“ Teamkollege Dani Pedrosa hat mit der neuen Ducati-Verkleidung ein Problem. Der Routinier befürchtet, dass andere Fahrer im Zweikampf mit ihrem Lenkerstummel daran hängen bleiben können.
MotoGP-Technikdirektor Aldridge kommentiert im Gespräch mit ‚Crash.net‘: „Wir schauen es uns an, sobald wir von der Sicherheitskommission oder der Renndirektion einen Hinweis erhalten. Eine Möglichkeit wäre, die Öffnungen zu limitieren. Aber die meisten Fahrer scheinen nicht allzu besorgt zu sein.“
Technikdirektor unter Druck
Für Aldridge war die Homologation der Ducati-Verkleidung keine einfache Aufgabe. Da das Reglement unterschiedlich interpretiert werden kann, musste der MotoGP-Technikdirektor einen Kompromiss finden. „Der wichtigste Faktor ist die Sicherheit. Es darf keine scharfkantigen Ecken oder andere Elemente geben, die gefährlich sind, andere Fahrer und Streckenposten gefährden“, betont er und ergänzt: „Man kann nicht Bauteile oder Material entfernen und daraus einen Flügel machen.“
Laut Aldridge hat Ducati vier bis fünf Versionen präsentiert, bevor man sich einigte. Der erste Vorschlag der Italiener wurde knallhart abgelehnt. „Deren Job ist es, ans Limit zu stoßen. Mein Job ist es, dass sie innerhalb des Limits bleiben. Wir müssen einen Kompromiss finden“, erklärt der Technikdirektor, der in Zusammenarbeit mit Rennleiter Mike Webb und dem Technikverantwortlichen der MotoGP, Corrado Cecchinelli, die Entscheidung traf.
„Ich versuche, mich jedem gegenüber fair zu verhalten, doch jede Entscheidung ist ein Präzedenzfall. Man fragt sich immer: ‚Wie geht das nur weiter?'“, bemerkt Aldridge, der ein Befürworter der Tatsache ist, dass sich die Maschinen der unterschiedlichen Hersteller optisch abgrenzen: „Das macht den Motorradsport interessant. Es ist schön, dass sich die Motorräder auf der Strecke unterscheiden.“
Die Grenzen sind fließend
„Auch in der Formel 1 sind die Aerodynamik-Regeln sehr strikt. Dennoch gibt es jede Woche Diskussionen über die jüngsten Entwicklungen“, vergleicht Aldridge und begründet, warum es so schwierig ist, alle zufrieden zu stimmen: „Die Yamaha-Verkleidung hat an jeder Seite eine rundliche Wölbung. Auch die Ducati-Verkleidung hat eine Wölbung, wenn auch eckig. Wenn man festlegt, dass die Yamaha-Verkleidung legal ist, ab welchem Punkt überschreitet man die Grenze zum Illegalen?“
Keine Zweifel gibt es, dass Ducati es erneut geschafft hat, das Reglement bis an die absolute Grenze auszureizen. „Auf jeden Fall“, kommentiert Aldridge und erinnert sich: „Wir haben bei den vergangenen vier bis fünf Rennen mit ihnen Meetings abgehalten. Es ist nicht viel mehr möglich innerhalb der Regeln. Es ist ein langwieriger Prozess. Ich kann verstehen, dass sie versuchen, das bestmögliche Paket zu schnüren. Ich muss es soweit abändern, dass es legal ist.“
Text von Sebastian Fränzschky & David Emmett
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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