(Motorsport-Total.com) – Scott Redding war in der WSBK-Saison 2021 meist der Fahrer, der sich am kritischsten zum Thema Sicherheit äußerte.
Als die Superbike-WM im August ins tschechische Most reiste, nahm der Brite kein Blatt vor den Mund und äußerte seine Bedenken, was die Auslaufzonen des Autodrom Most angeht.
Redding hatte bereits zuvor mit einer Serienmaschine getestet und befand den Kurs als nicht sicher für die etwa 240 PS starken WM-Superbikes.
Zudem beklagte Redding immer wieder die aggressive Fahrweise einiger Kollegen, allen voran Yamaha-Pilot Toprak Razgatlioglu. Nachdem sich der spätere Weltmeister in der vorletzten Kurve von Lauf eins aggressiv an Redding vorbeidrückte, gab es im Parc Ferme einige hitzige Wortduelle.
Respekt unter den Fahrer nicht mehr so ausgeprägt wie vor zehn Jahren
Gibt es unter den Fahrer noch den Respekt, den es vor zehn Jahren gab? „Nein, es ist anders. Es ist völlig anders“, stellt Redding fest. „Heute attackieren die Fahrer ab der ersten Kurve, wie im Fall von Alex Lowes in Barcelona. Er hatte Glück, denn hinter ihm kamen 15 weitere Fahrer, die ihm ausweichen konnten“, erinnert sich der Brite an das WSBK-Event im September.
„Viele Fahrer kämpfen um ihre Karrieren“, ist sich Redding bewusst. „Doch wie viel ist eine Karriere wert und wie sehr respektiert man seine Gegner? Deshalb war ich in Most so verärgert. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es der richtige Kurs ist, um so gegeneinander zu fahren. Ich musste mir sehr viel Mist danach anhören. Mir ist das egal, es kümmert mich nicht.“
„Wenn etwas passiert wäre, dann hätten alle kritisiert: ‚Oh ja, es war zu hart, sie hätten etwas unternehmen müssen.‘ Doch es passierte nichts. Ich versuche aber immer, beide Seiten zu sehen. Was ist, wenn etwas passiert und was ist, wenn nichts passiert?“, begründet Redding seine Haltung.
Das Fahrerlager der Superbike-WM steht in Jerez unter Schock
Wie schnell es zu einem tragischen Unglück kommen kann, sah man wenig später beim WSBK-Event in Jerez. Im ersten Rennen der Supersport-300-WM kam es zu einem Zwischenfall, bei dem Dean Berta Vinales sein Leben verlor. Das Fahrerlager der Superbike-WM unter Schock.
„Was wäre, wenn er sich nur verletzt hätte? Niemand hätte etwas gesagt. Niemand hätte sich irgendwelche Gedanken gemacht“, bemerkt Redding, der bei seinen Kollegen Änderungen im Fahrstil wahrnahm. Nach der Absage des ersten Laufs am Samstag wurden am Sonntag zwei Hauptrennen gestartet.
„Die Rennen waren viel ruhiger. Die Überholmanöver waren etwas weniger aggressiv“, stellt Redding fest. „Ich habe das Gefühl, dass es eine Art Realitätsschock für die Leute im Fahrerlager war. Es ist einfach nur traurig, dass so eine schlimme Sache nötig ist, damit alle aufwachen.“
Scott Redding hinterfragt die Risiken, die einige Fahrer eingehen
„Und das war es, was ich in Most sagte: Es war nicht sicher. Und dafür kassierte ich eine Menge böser Kommentare. Doch was wäre passiert, wenn es einen Zwischenfall gegeben hätte?“, fragt sich der damalige Ducati-Werkspilot und fordert: „Wir sollten diese Risiken nicht in Kauf nehmen. Doch das machen wir und bestreiten Rennen. Wenn ich bezahlt werden möchte, dann muss ich fahren. Das ist mein Job.“
Im Rahmen des Renn-Wochenendes in Most gab es am Freitag ein Treffen, bei dem über die Sicherheit gesprochen wurde. Insidern zufolge wurde vereinbart, die Situation im Falle eines Regenrennens neu zu bewerten. Abgesehen davon blieb Sportdirektor Gregorio Lavilla zielstrebig auf Kurs und ließ keine Absage zu.
Doch in Jerez, nach dem Tod von Dean Berta Vinales, zeigte der Dorna-Sportdirektor eine andere Seite von sich. „Es war das erste Mal, dass ich seine menschliche Seite sah. Es hat ihn hart getroffen“, erkennt Redding. „Ich habe Respekt vor ihm. In Most zeigte er diese Seite nicht. Damals gab es ein Meeting und er meinte, dass wir ‚unser eigenes Tempo fahren sollen‘ und ’selbst entscheiden, wie schnell wir fahren‘.“
Text von Sebastian Fränzschky
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