Andrea Dovizioso, Michele Pirro - © GP-Fever.de

© GP-Fever.de – Wieder darf sich Andrea Dovizioso in Sepang über den Triumph freuen

Matchball abgewehrt. Andrea Dovizioso zögert die WM-Entscheidung 2017 mit seinem sechsten Saisonsieg bis zum Saisonfinale in Valencia hinaus.

Der Ducati-Pilot wiederholte am Sonntag den Triumph des Vorjahres und schlug Teamkollegen Jorge Lorenzo bei regnerischen Bedingungen auf dem Sepang International Circuit.

Der große WM-Showdown wird demnach in zwei Wochen stattfinden, wenn Dovizioso mit 21 Punkten Rückstand das Unmögliche möglich machen möchte.

„Wir haben ein perfektes Wochenende hingelegt“, strahlt der 31-Jährige in der Pressekonferenz nach dem Rennen. „Wir waren unter allen Bedingungen ab dem ersten Training schnell. Wir haben uns im Trockenen von Session zu Session verbessert, außerdem wussten wir, dass das Bike im Nassen sehr gut funktioniert.“ Das bestätigten die Werkspiloten mit dem ersten Doppelerfolg in diesem Jahr.

Bereits ab dem ersten Freien Training war Dovizioso schnell. Er sicherte sich die schnellste Trainingszeit, im Qualifying fehlten ihm nur 24 Tausendstel auf die Pole-Position. Die Pace im Renntrimm sprach für Ducati. Dennoch hatte er Probleme von Startplatz drei aus: „Wir hatten sehr wenig Grip, vielleicht weil so viel Gummi auf der Strecke lag von den Rennen davor. Ich habe Zeit gebraucht, um weich zu fahren, da ich nicht so selbstsicher war wie im Training.“

Heikler Moment mit Marquez, schwerer Fehler von Lorenzo
Der nachdenkliche Italiener wartete geduldig ab. In Runde fünf schob er sich an die dritte Position vorbei an Marquez, in Runde neun folgte er schließlich Lorenzo an die Spitze vorbei an Johann Zarco. „Ich habe mir Zeit genommen, um alles zu verstehen – und meine Stärken und Schwächen auszumachen. Dann konnte ich mir Jorge schnappen. Heute war er wirklich sehr schnell, daher musste ich sehr konzentriert bleiben, um mit ihm mitfahren zu können.“ Lorenzo hielt bis Runde 15 einen Vorsprung von rund einer halben Sekunde, als ihm in Kurve 15 die Front wegrutschte.

Zwar konnte der Spanier auf seiner Desmosedici sitzen bleiben, doch nahm Dovizioso die Einladung gerne an und zog innen am Spanier vorbei. Die letzten fünf Runden fuhr er souverän in Führung liegend zu Ende, eine Attacke seines Garagennachbar musste er nicht fürchten. Der sechste Sieg in dieser Saison bedeutet auch einen neuen persönlichen Rekord für „Dovi“. Nicht einmal in seiner 125er-WM-Saison 2004 gewann er so viele Rennen. „Ich habe nicht erwartet, an diesem Wochenende so konkurrenzfähig zu sein“, zeigt er sich überrascht von seiner Leistung.

Mit Lorenzo habe er nie ein Problem gehabt. Der Spanier hätte am Sonntag seinen ersten Sieg auf Ducati holen können, verbaute sich die Chance laut eigenen Aussagen jedoch mit dem schweren Fehler. Eine Teamorder habe er nicht wahrgenommen, obwohl Ducati ihm den Code „Mapping 8“ auf das Dashboard schickte. Dovizioso sieht die Angelegenheit gelassen – und entlastet Lorenzo: „Er hat nie versucht, mir etwas Schlechtes zu wollen oder in der Box eine seltsame Stimmung erzeugt. Er ist bis zum letzten Drittel des Rennen sehr gut gefahren.“

Dass WM-Konkurrent Marquez seinen vierten Platz sicher einfuhr, bekam der Italiener an der Spitze gar nicht mit: „Ich habe den Screen nicht wirklich gesehen, weil ich so wenig Grip auf der Front hatte. Ich musste mich das gesamte Rennen über konzentrieren. Ich habe gesehen, dass er Vierter war, aber wusste nicht, ob er an Zarco dran war oder nicht“, schildert er und ergänzt: „Als ich Jorge überholt habe, sah ich auf seiner Boxentafel, dass Zarco hinter ihm war – das war positiv.“

Dovizioso ist glücklich, weil es an diesem Wochenende sehr gut für ihn lief. „Wir haben alles perfekt gemacht, es war keineswegs einfach. Ich bin glücklich, dass wir allen zeigen konnten, wie konkurrenzfähig wir mit unserer Arbeit, egal ob im Trockenen oder Nassen, sein können.“ Allerdings ist ihm auch bewusst, wie stark Marquez ist: „Auch nach einem schwierigen Wochenende ist er noch Vierter geworden. Er ist bisher eine unglaubliche Saison gefahren. Selbst wenn er in einer schlechten Lage ist, kann er noch ein gutes Ergebnis einfahren.“ Das sei auch der Grund, warum er in der Meisterschaft führt.

Deshalb ist Doviziosos Freude über den insgesamt achten MotoGP-Erfolg gedämpft. „Ich fühle mich heute nicht so glücklich im Vergleich zu den anderen Siegen, weil wir zwar stark sind, aber wenn man sich die Meisterschaft ansieht, dann sind wir etwas weit weg. Das ist die Realität.“ Ducati habe für den letzten Grand Prix nur wenige Asse im Ärmel, weiß „Desmo Dovi“.

Dovizioso über Platz 13 in Australien immer noch „verärgert“
Ein Grund dafür: Durch das schlechte Abschneiden beim vergangenen Rennen in Phillip Island (nur Platz 13), brachte sich Dovizioso selbst in die Defensive. Natürlich sei er „verärgert“ über das schlechte Ergebnis in Australien. Er hätte mehr Punkte holen müssen. Allerdings hinderte ihn daran ein Fehler zu Rennbeginn, wodurch er viele Plätze verloren hatte. Am Ende befolgt außerdem Scott Redding (Pramac-Ducati) eine Teamanweisung nicht – der Brite überholte Dovizioso in der letzten Kurve. Er wurde Elfter, Dovizioso hinter Dani Pedrosa 13.

„Ducati war nicht schnell genug. Das ist die Wahrheit. Aber so ist das Racing, jeder muss für sich selber fahren. Jetzt ist es leicht zu sagen, dass ich in diesem oder jenem Rennen besser hätte fahren müssen. Das wird die Punkte in der Meisterschaft aber nicht ändern“, bleibt er Realist. In Australien fuhr er sein schlechtestes Saisonergebnis ein, das erste Mal 2017 landete er außerhalb der Top 10. Aber auch in Aragon mit Platz sieben oder Deutschland mit Platz acht tat er sich keinen Gefallen. Bitter war auch der Ausfall in Argentinien. Ihm ist bewusst, dass ihm diese Resultate den Titel kosten könnten. „Aber es ist Ansichtssache, immerhin haben wir sechs Rennen gewonnen.“

Ist die Ducati in dieser Saison insgesamt gesehen dennoch das perfekte MotoGP-Bike? „Leider existiert das perfekte Bike nicht“, schmunzelt Dovizioso. Jedes Bike habe positive und negative Punkte – man müsse eine wirklich gute Balance finden, um schnell zu sein. „Wenn du Zweiter bist in der WM, hast du natürlich ein gutes Bike. Aber es macht dennoch einen großen Unterschied, wie du das Bike am Rennwochenende unter Kontrolle hast.“ Da könne man sich bei Lorenzo erkundigen …

„Schneller Fahrer kann Schwächen des Bikes verschleiern“
„Wenn du gute Ergebnisse einfährst, dann sieht auch das Bike gut aus, aber mit meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht stimmt. Ein schneller Fahrer kann die negativen Seiten eines Bikes verschleiern“, philosophiert der Ducati-Pilot. Noch ein letztes Mal muss er für seine Desmosedici in zwei Wochen die perfekte Balance finden – und das auf einem Kurs, der der Honda mehr liegen sollte, mutmaßt der Italiener.

„Wir müssen so positiv denken, wie vor diesem Wochenende. Wir brauchen auch gar keine Strategie, weil wir wissen, dass wir gewinnen müssen. Valencia ist nicht unsere Lieblingsstrecke, speziell Marc ist dort sehr stark. Aber in diesem Jahr kann alles passieren. Es wird schwierig, aber ich bin entspannt.“ Marquez stand in den vergangenen fünf Jahren immer auf dem Podium beim Saisonfinale – 2014 holte er seinen einzigen MotoGP-Sieg in Valencia. Bei einem Sieg von Dovizioso dürfte er höchstens Zwölfter werden, damit der Italiener den Titel noch gewinnen kann (286:286 – sieben Siege für Dovizioso, sechs für Marquez).

Noch einmal betont Dovizioso, dass Marquez bisher eine „unglaubliche“ Saison abgeliefert habe. „Wenn wir keine besseren Ergebnisse einfahren konnten, bedeutet das, dass wir nicht besser waren. Wenn Marc den Titel gewinnt, heißt das, dass er der Beste war in dieser Meisterschaft.“ Um 21 Punkte noch aufholen zu können, müsse schon „etwas passieren“, glaubt er und sieht den Druck auf Marquez Schultern lasten: „Natürlich ist der Druck beim letzten Rennen in Spanien ziemlich heftig, aber er hat es auch in der Vergangenheit schon geschafft.“

Text von Maria Reyer

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