Spielberg Crash - © Motorsport Images

© Motorsport Images – Morbidellis fliegende Yamaha verfehlte Rossi und Vinales nur haarscharf

(Motorsport-Total.com) – Der schreckliche Unfall zwischen Johann Zarco und Franco Morbidelli im MotoGP-Rennen in Spielberg hat nicht nur eine Diskussion um die Schuldfrage entfacht, sondern auch um die Sicherheit auf dem Red Bull Ring.

Dabei steht Kurve 3, der spitze Rechtsknick nach der langen Geraden, nicht zum ersten Mal in der Kritik.

In der Anfahrt zu dieser Kurve erreichen die Piloten Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 km/h und bremsen schließlich hart herunter, um in die langsamste Ecke des Layouts einzubiegen, die zugleich die höchste Stelle des Red Bull Rings ist.

Genau in dieser Bremszone kam es zum Crash zwischen Zarco und Morbidelli. Der Franzose war auf der Geraden (genauer gesagt in Kurve 2, denn die Gerade ist faktisch keine) links an der Yamaha vorbeigegangen und hatte sich vor sie gestellt. Morbidelli, vom Windschatten angesaugt, konnte nicht rechtzeitig ausweichen.

Wer hat Schuld? Es gibt unterschiedliche Meinungen
Er knallte mit voller Wucht ins Heck von Zarco. Beide wurden von ihren Motorrädern geschleudert, die fahrerlos in Richtung Kurve 3 flogen und dort das Yamaha-Duo mit Maverick Vinales und Valentino Rossi nur um Haaresbreite verfehlten. Der „Doctor“ fand danach deutliche Worte und ging hart mit Zarco ins Gericht.

Er habe Morbidelli absichtlich den Weg abgeschnitten und vor ihm gebremst, weil er sich nicht zurück überholen lassen wollte. „Aber bei 300 km/h konnte Franco nichts tun und traf ihn hart“, so Rossi. Doch nicht jeder sieht einen klaren Schuldigen.

„Johann hat links überholt. Ich glaube nicht, dass Morbidelli das nicht erwartet hat“, analysiert Tech-3-Pilot Miguel Oliveira. „Ich glaube auch, dass die Turbulenzen im Windschatten nicht geholfen haben und schätze, dass Morbidelli gar nicht weiter nach rechts ziehen hätte können, um Zarcos Hinterrad zu vermeiden.“

Kurve 3 in der Sicherheitskommission schon diskutiert
Der Unfall sei „beängstigend“ gewesen, sagt Oliveira weiter. „Die glücklichsten Menschen, die heute für ihre Schutzengel Kerzen anzünden können, sind Rossi und Vinales. Es hätte heute eine sehr, sehr schlimme Tragödie passieren können, die zum Glück nicht passiert ist.“ Trotzdem müsse die Situation genau analysiert werden.

Denn das Gefahrenpotenzial war bekannt. „Wir haben in der Sicherheitskommission am Freitag darüber gesprochen“, verrät Oliveira. „Wir haben gesagt, dass wenn im Regen dort jemand stürzt, dann gibt es nicht genug Auslauf. Wir werden im Airfence landen und das Motorrad wird in dieser engen Kurve jemanden treffen.“

Das passierte nun (fast) auf trockener Strecke. Aprilia-Pilot Aleix Espargaro erklärt, was diese Stelle in Spielberg so gefährlich macht: „Man kann sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, diese verdammte Kurve bei 300 km/h mit jeder Menge Abtrieb wegen der Winglets und mit vielen Motorrädern vor sich zu fahren.“

Crutchlow: „Bin schockiert darüber, was passiert ist“
„Jedes Mal, wenn man sich hinter anderen Fahrern bewegt, hat man Abtrieb, keinen Abtrieb, wieder Abtrieb – das Vorderrad vibriert, manchmal hat man keine Bremsen“, so der Spanier. „Es ist eine sehr schwierige Stelle, die sehr gefährlich ist.“

Aber was tun? Cal Crutchlow von LCR-Honda gibt sich ratlos. „Ich bin schockiert darüber, was passiert ist“, gesteht der Brite sichtlich mitgenommen. „Und ich weiß wirklich nicht, was sie tun können. Es sei denn, sie verändern diesen Teil der Strecke komplett. Ich bin mir aber sicher, dass viele Fahrer heute nicht glücklich sind.“

Danach gefragt, ob eine Erweiterung der inneren Barrieren helfen würde, wiegelt Crutchlow ab: „Ich denke, das würde nichts bringen, eher im Gegenteil. Man stelle sich das nur mal im Nassen vor. Wenn man dort von der Strecke abkommt, selbst wenn man im Training allein ist, könnte man direkt dort hinein rauschen.“

Nakagami zeigt sich erleichtert: „Alle hatten Glück“
Sein Teamkollege Takaaki Nakagami weiß: „Am Freitag in der Sicherheitskommission haben sich viele Fahrer über das Layout in Kurve 3 beschwert. Man kommt dort auf 300 km/h und muss sehr aggressiv bremsen, ein bisschen wie in Le Mans zwischen Kurve 1 und 2. Man muss hart bremsen und gleichzeitig die Richtung wechseln.“

Zwar sei es heute das erste Mal gewesen, dass an dieser Stelle in der Bremszone ein solcher schwerer Sturz passierte, aber er habe gezeigt, „wie die Motorräder dort nach den Stürzen zu richtigen Geschossen geworden sind“, warnt Nakagami.

„Valentino hatte so viel Glück. Ich bin wirklich froh, dass er nicht getroffen wurde. Das wäre sonst schlimm ausgegangen. Alle hatten Glück. Was die Zukunft betrifft, bin ich mir nicht sicher. Für die MotoGP ist es recht tricky dort, erst recht bei Regen. Darüber werden wir sicherlich reden müssen. Es ist eine gefährliche Stelle.“

Dovizioso: Mauer auf der linken Seite ist ein Problem
Auch die Top 3 in Spielberg bestätigen das. „Bei dieser Art von Layout kann so etwas immer passieren. Es ist nicht wirklich sicher“, sagt Rennsieger Andrea Dovizioso. „Aber man kann auch nicht alle Strecken gleich gestalten.“ Aus seiner Sicht stellt vor allem die Mauer linker Hand ein Problem: „Sie ist noch gefährlicher.“

Ähnlich äußert sich Markenkollege Jack Miller. „Wir können nicht alle Strecken gleich machen“, meint auch er. „Es muss ein paar, sagen wir mal, Gefahrenelemente geben. Ich habe dort auch schon versucht, andere zu überholen. Man muss das Risiko abwägen. Die Bikes sind dort instabil und auch der Wind spielt eine Rolle.“

„Aber was mich am meisten besorgt ist: Wenn ich in die Kurve fahre und die Räder blockieren, fahre ich geradewegs in die Mauer. Sie wurde bereits etwas nach hinten versetzt, aber muss noch weiter weg bewegt werden“, stimmt er Dovizioso zu.

Bradl: Wichtig, dass über Sicherheit diskutiert wird
Ebenso wie Joan Mir. Der Zweitplatzierte von Spielberg erklärt: „Ich denke, es gibt viele Strecken mit dieser Charakteristik, wo man in leichter Schräglage bremst. Und wir können sie nicht alle ändern. Wie Dovi schon sagte, wäre es wichtig, die Mauer auf der linke Seite etwas zu verschieben, um die Sicherheit zu erhöhen.“

Dass das Thema und der Unfall die MotoGP noch lange beschäftigen werden, dessen ist sich Stefan Bradl jedenfalls sicher. „Die MotoGP hat in den vergangenen Jahren viel Glück gehabt. Vermutlich wird es wieder Diskussionen über die Sicherheit geben. Das ist gut. Wir müssen darüber diskutieren, was genau passiert ist“, sagt er.

„Wir müssen auch die Aussagen der involvierten Fahrer hören. Dann kann sich jeder ein eigenes Urteil bilden.“ Vor allem aber müsse über diese Kurve gesprochen werden. „Im Regen kann es dort auch sehr knifflig sein“, weiß der Honda-Ersatzfahrer.

„Wenn ein Fahrer einen Fehler macht, dann ist das wirklich am Limit. Wir müssen darüber sprechen. Momentan will ich aber nichts darüber sagen. Wir werden am Donnerstag oder spätestens am Freitag ein Meeting der Sicherheitskommission haben.“ Denn in nur einer Woche fährt die MotoGP das nächste Rennen in Spielberg.

Text von J. Ziegengeist, Co-Autoren: G. Dirnbeck, L. Duncan

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