(Motorsport-Total.com) – Bei seinem zweiten Wildcard-Einsatz für KTM in der MotoGP-Saison 2023 hat Dani Pedrosa vor wenigen Tagen in Misano einmal mehr ein blitzsauberes Wochenende hingelegt.
Im Training am Freitagnachmittag schaffte Pedrosa den direkten Q2-Einzug. In eben diesem zweiten Qualifying-Segment am Samstag fuhr er auf den fünften Startplatz. Im Sprint verpasste er als Vierter denkbar knapp die Top 3. Im Grand Prix am Sonntag wurde der Spanier auf der zusätzlichen KTM erneut Vierter.
Damit hat Pedrosa in Misano die ohnehin schon starke Bilanz seines ersten Wildcard-Einsatzes in diesem Jahr sogar noch getoppt. Ende April in Jerez war er Sechster im Qualifying, Sechster im Sprint und Siebter im Grand Prix geworden. Im Unterschied zu Jerez saß Pedrosa nun in Misano auf einer Neuentwicklung, nämlich der KTM RC16 mit Carbon- anstatt Stahlrahmen.
Wenngleich die Voraussetzungen somit am Wochenende nicht direkt vergleichbar waren mit denen der KTM-Stammpiloten Brad Binder und Jack Miller, so ringt es den MotoGP-Kollegen dennoch jede Menge Respekt und Bewunderung ab, dass Pedrosa am gesamten Wochenende bester KTM-Fahrer war.
Aleix Espargaro: Pedrosa „lässt einen alles anzweifeln“
Aprilia-Pilot Aleix Espargaro, der in Misano überhaupt nicht zurechtkam, nachdem er nur eine Woche zuvor in Barcelona das Wochenende dominiert hatte, lobt Pedrosa als „unglaublich“ und setzt direkt noch einen drauf.
„Die Art und Weise, wie er fährt, lässt einen alles anzweifeln“, so Espargaro, der anmerkt: „Pedrosa war einfach schon immer besonders. Er war nie ein normaler Fahrer. Ehrlich gesagt war er immer einer meiner persönlichen Favoriten. Und jetzt, da er all die Dinge, die er nicht mag, ausblenden kann, jetzt zeigt er, wozu er immer noch imstande ist.“
Damit meint Espargaro die PR- und Medienaufgaben – nicht zuletzt ein Grund, weshalb sich Pedrosa im Jahr 2018 als damaliger Honda-Pilot entschieden hat, kürzer zu treten und bei KTM als Test- und Entwicklungsfahrer anzuheuern.
„KTM darf sich sehr glücklich schätzen, ihn an Bord zu haben“, sagt Espargaro. Dem Aprilia-Piloten ist nach Pedrosas starkem Misano-Wochenende aber eines noch wichtig zu betonen: „Dass Dani hier angetreten ist und gezeigt hat, was er gezeigt hat, das bedeutet nicht, dass das Niveau in diesem Feld nicht hoch wäre.“
„Wir sprechen hier immerhin von Dani Pedrosa, einem der besten Fahrer aller Zeiten. Es ist nicht so, dass das Niveau im aktuellen Feld niedrig wäre. Es ist einfach so, dass Dani ein ganz besonderer Fahrer ist“, stellt Espargaro mit Nachdruck heraus.
Bagnaia: Pedrosa nicht vergleichbar mit Stammfahrern
Auch der amtierende MotoGP-Weltmeister Francesco Bagnaia meint nach Pedrosas zweiten starken Wochenende in dieser Saison: „Ich denke nicht, dass ich über Dani noch irgend etwas sagen muss. Er war ja schon immer sehr beeindruckend und sehr konkurrenzfähig. Was er abliefert, das ist einfach nur beeindruckend.“
„Klar, seine Situation ist nicht vergleichbar mit der eines Fahrers, der um die WM kämpft“, sagt Bagnaia und begründet: „Er hat ja vor diesem Wochenende schon zwei oder dreimal hier getestet. Wer weiß, wenn er in Indien mitfahren würde, dann sähe es vielleicht anders aus. Aber das ändert nichts daran, dass es wirklich sehr beeindruckend ist, was er leistet.“
Pedrosas Fahrstil, der sich durch „unglaublich präzises Kurvenfahren auszeichnet“, hat „bei mir schon immer Eindruck hinterlassen“, wie Bagnaia zugibt. „Aber leider hatte ich am Wochenende keine Gelegenheit, ihm auf der Strecke zu folgen, um ihn genau zu studieren.“
Marc Marquez lobt Pedrosa – Pedrosa lobt Marc Marquez
Marc Marquez hingegen hatte genau diese Gelegenheit. Der Honda-Pilot folgte Pedrosa im Training am Freitagnachmittag. „Ich habe da den Besten ausgewählt. Er fährt ein MotoGP-Motorrad einfach auf die bestmögliche Art“, lobt auch Marquez.
„Er war eigentlich nicht meine ursprüngliche Wahl, aber mit dem ersten Reifen hatte ich einen Fehler gemacht und kam in Kurve 1 von der Linie ab“, erinnert sich Marquez und weiter: „Dann war ich hinter ihm und habe mir gesagt, dass er derjenige ist, den ich für den zweiten Reifen auswähle. Er ist wirklich sehr gut gefahren.“
Die Konsequenz: In Pedrosas Windschatten fuhr auch Marquez direkt ins Q2 – eine Errungenschaft, die für ihn auf der 2023er-Honda aus eigener Kraft kaum möglich ist.
Pedrosa selber aber ist direkt bemüht, das Lob zurückzugeben: „Nur, weil er mir gefolgt ist, heißt das ja nicht, dass die Arbeit damit getan war. Das Motorrad bewegt sich trotzdem sehr stark und man muss die Rundenzeit erst einmal fahren. Die kommt ja nicht von allein, nur weil man jemandem folgt. Er hat also einen ebenso guten Job gemacht.“
Trotzdem: Laut Marquez ist Pedrosa für die Test- und Entwicklungsarbeit eines MotoGP-Herstellers „sicherlich der beste Fahrer, denn er ist der schnellste und außerdem derjenige, dessen Aussagen am präzisesten sind“.
„Wenn du aber nicht die entsprechenden Ingenieure hast, die auf diese Aussagen reagieren können, dann bringt das auch nichts“, sagt Marquez und weiter: „Man sieht ja, dass auch Aprilia und Ducati sehr gute Motorräder gebaut haben mit Savadori und Pirro. Auch sie sind gute Fahrer, aber vielleicht nicht so talentiert wie ein Dani Pedrosa.“
„Deshalb glaube ich, dass in einem Testteam die Gruppe als Ganzes das Wichtigste ist. Das ist zum eine natürlich der Fahrer, zum anderen aber eben auch die Ingenieure, die es umsetzen können“, so Marquez, der in seiner Aufzählung interessanterweise ausgerechnet Honda nicht nennt.
Pit Beirer gibt zu: KTM hat gebraucht, Pedrosas Infos umzusetzen
Und wie beurteilt man das Ganze im Lager von KTM? „Unser Arbeitsverhältnis, wie viel Input uns Dani gibt, wie die Ingenieure ihn verstehen und was er den anderen Fahrern geben kann, das ist auf dem besten Level seit er bei uns ist“, betont KTM-Motorsportchef Pit Beirer gegenüber MotoGP.com.
Auf dem besten Level seit Pedrosa bei KTM ist, das heißt? „Von unserer Seite hat es einfach eine Weile gebraucht, seine Informationen zu verstehen und umzusetzen“, gibt Beirer zu. „Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass es besser denn je ist. Was Dani auf der Strecke immer noch leisten kann, das haben wir schon in Jerez gesehen. Der Junge ist fantastisch. Es ist sehr, sehr gut, dass wir ihn bei uns haben.“
Pedrosas Leistung beeindruckte am Misano-Wochenende derart, dass er gefragt wurde, ob er es womöglich bereut, seine Vollzeitkarriere am Ende der MotoGP-Saison 2018 beendet zu haben. Darauf gab der bald 38-jährige Spanier eine klare Antwort: „Lassen wir die Dinge lieber so wie sie sind.“ Und auf Nachfrage, ob er sich für 2024 ein Comeback vorstellen könne, entgegnete Pedrosa ebenso klar: „Nein, überhaupt nicht.“
Pedrosas KTM-Vertrag als Test- und Entwicklungsfahrer wurde vor wenigen Tagen verlängert. Zwar habe man bei dieser Gelegenheit „nicht über weitere Wildcards gesprochen“, wie Pedrosa vor dem Misano-Wochenende anmerkte. Allerdings hat es seither eine Regeländerung gegeben.
Am Mittwoch wurde basierend auf einem Beschluss der Grand-Prix-Kommission verkündet, dass ab der MotoGP-Saison 2024 maximal drei Wildcards pro Rennwochenende erlaubt sind. Aktuell sind es zwei pro Rennwochenende.
Text von Fritzsche, Co-Autoren: Casanova, D’Adderio, Duncan
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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