(Motorsport-Total.com) – Beim völlig überraschend verlaufenen Grand Prix von Tschechien 2020 in Brünn, dem dritten Rennen der laufenden MotoGP-Saison, gab es gefühlt gleich mehrere Sieger.
Den größten Jubel findet man im KTM-Lager rund um Sensationssieger Brad Binder, der als Rookie in der Königsklasse direkt bei seinem dritten Rennen zum Sieg gefahren ist.
Nachdem er unmittelbar nach der Zieldurchfahrt schon im Parc-Ferme betont hatte, dass ihm „die Worte fehlen“, ringt Binder auch in der Medienrunde nach dem Rennen noch um Worte: „Ich kann es noch gar nicht fassen. Heute ist definitiv der beste Tag meines bisherigen Lebens“, so der Südafrikaner, der am kommenden Dienstag seinen 25. Geburtstag feiert und sich damit selber ein vorzeitiges Geschenk beschert hat.
Nicht Routinier, sondern Rookie erringt ersten KTM-Sieg
Ein Geschenk im ganz großen Stil ist der Sieg auch für KTM. Schließlich ist es das erste Mal, dass der Motorradhersteller aus Österreich ein Rennen in der Königsklasse der Motorrad-WM gewonnen hat. In der Offroad-Szene, wie etwa bei der Rallye Dakar, und auch in den kleinen WM-Klassen Moto3 und Moto2 hat KTM bereits diverse Siege vorzuweisen. Jetzt ist auch der erste MotoGP-Sieg unter Dach und Fach.
Eben diesen ersten MotoGP-Sieg für KTM hat nicht etwa Pol Espargaro eingefahren, der seit dem MotoGP-Einstieg der Marke (2017) involviert ist. Nein, es war „Grünschnabel“ Binder, der erst im Winter aus der Moto2-Klasse in die Königsklasse aufgestiegen ist. „Dass ich mein drittes MotoGP-Rennen direkt gewonnen habe, ist schon ein bisschen unheimlich“, gibt der Südafrikaner selber zu.
So überraschend der Sieg am Sonntag in Brünn zustande kam, so wenig unverdient war er. Während sich die Werksteams von Ducati, Honda und Yamaha und auch WM-Spitzenreiter Fabio Quartararo (Petronas-Yamaha) allesamt schwertaten und hinter den Top 4 ins Ziel kamen, zeigte Binder vom siebten Startplatz kommend ganz unbekümmert eine ebenso souveräne wie abgeklärte Fahrt.
„Ich hatte einen guten Start“, erinnert sich Binder und weiter: „Als ich hinter Fabio lag, konnte ich sein Tempo recht einfach halten. Als ich ihn überholt hatte, lag noch Franco [Morbidelli] vor mir. Nach ein paar Runden hinter ihm fiel mir auf, dass ich mehr Grip hatte als er. Als ich auch ihn überholt hatte, lag ich vorne. Die letzten drei Runden waren dann wohl die saubersten, die ich jemals hingelegt habe. Einfach unglaublich!“
Binder: Nach P5 im Warm-Up schon „schockiert“
„Ich weiß gar nicht, ob ich das jemals begreifen werde“, so Binder, der gesteht: „Ich war ja schon richtig schockiert, als ich heute Morgen Fünfter im Warm-Up war. Die Tatsache, dass wir jetzt das Rennen gewonnen haben, wird noch eine Zeit brauchen, bis ich es kapiert habe.“ In diesem Zusammenhang bedankt sich der neueste Sieger der MotoGP-Geschichte „bei meinen Eltern, weil sie mich immer unterstützt haben und bei bei jedem einzelnen in meiner Box, weil sie mir ein so unglaubliches Motorrad hingestellt haben“.
Im Rennen kam ihm seine Unerfahrenheit auf einem MotoGP-Bike sogar zu Gute, wie Binder anmerkt, nachdem er sich ein bisschen gefangen hat: „Gestern hatte ich schon gesagt, dass das mit Blick auf den Reifenverschleiß im Rennen heute entweder ein Vorteil oder ein Nachteil sein könnte. Ganz offensichtlich war es ein Vorteil.“
Was die KTM RC16 betrifft, so merkt Binder noch an, dass die 2020er-Version dieses Bikes für ihn „viel einfacher zu fahren“ ist als die 2019er-, die er im November 2019 in Valencia und Jerez bei seinem ersten MotoGP-Tests bewegt hatte: „Ende des vergangenen Jahres dachte ich mir ‚Oh mein Gott, da kommt jede Menge Arbeit auf mich zu.'“
„Als ich dann aber in Malaysia [beim Sepang-Test im Februar] erstmals auf das neue Bike gestiegen bin, war das wie eine andere Welt. Diese Bike fühlte sich für mich von Beginn an viel natürlicher an und viel einfacher zu fahren. Ich kann nur sagen, das Team hat im Winter einen unglaublichen Job gemacht“, lobt Binder.
Pressekonferenz: Zarco singt für Binder und freut sich mit ihm
Apropos Lob: In der Pressekonferenz traf Binder wie schon auf dem Podium auf den Zweitplatzierten Franco Morbidelli und den Drittplatzierten Johann Zarco. Und Zarco, der trotz Strafe nach Kollision mit Binders KTM-Teamkollege Pol Espargaro den ersten MotoGP-Podestplatz für das kleine Avintia-Team eingefahren hat, stimmt sofort ein Loblied auf Binder an.
„Ich freue mich sehr für Brad. Ihm ist der Schritt gelungen, der mir nicht gelungen war“, so Zarco in Anspielung auf die Tatsache, dass er das KTM-Team Mitte des Jahres 2019 verlassen hat. Über die Zwischenstation LCR-Honda (drei Rennen als Ersatz für Takaaki Nakagami) hat der Franzose nun bei Avintia-Ducati eine neue Heimat gefunden und diesem Team den ersten Podestplatz beschert.
Aber bezüglich seines Loblieds auf Binder belässt es Zarco nicht bei seinen Aussagen. Nein, er stimmt mitten in der Pressekonferenz sogar tatsächlich ein Lied an und singt ins Mikrofon. Hintergrund des Ständchens: Als Zarco und Binder in den Jahren 2015 und 2016 beide für das Team von Aki Ajo fuhren (Moto2 beziehungsweise Moto3), hatte der Franzose dem Südafrikaner dieses Lied geschrieben.
„Brad Binder, Brad Binder, das Rennen geht weiter, kleiner Mann. Das Rennen geht weiter. Nach vielen Siegen verdient Brad ein Moto2-Bike. Aki findet auch, dass er das verdient. Ich wünsche dir so viele Siege“, lautet der Liedtext aus dem Englischen übersetzt. Nach seinem Ständchen merkt Zarco aber grinsend an: „Jetzt sind wir in der MotoGP-Klasse angekommen. Also müssen wir den Text wohl ein wenig abändern.“
KTM-Privattest mit allen Stars am Montag in Brünn
Was KTM betrifft, so kann von einer ausgedehnten Jubelfeier allerdings (noch) keine Rede sein. Denn schon am Montag steht für den Hersteller ein privater Testtag auf dem Programm, der ebenfalls in Brünn über die Bühne geht und als Vorbereitung für das anstehende doppelte Heimspiel in Österreich (je ein Rennen am 16. und am 23. August) dient.
Laut Informationen von KTM gegenüber ‚Motorsport-Total.com‘ werden beim Brünn-Test neben den Werkspiloten Binder und Espargaro auch Testfahrer Dani Pedrosa sowie Tech-3-Pilot Miguel Oliveira zum Einsatz kommen. Oliveiras Teamkollege Iker Lecuona hingegen wird nach seinem Sturz im Rennen geschont und lässt den Test aus.
Text von Mario Fritzsche
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
Motorsport-Total auf Facebook
Motorsport-Total auf Twitter
Neueste Kommentare