(Motorsport-Total.com) – Das MotoGP-Projekt von Aprilia hat in der Saison 2022 einen beachtlichen Schritt gemacht.
Aleix Espargaro war mit seiner Aprilia RS-GP lange Zeit erster Verfolger von Titelverteidiger Fabio Quartararo (Yamaha). Von allen sechs beteiligten Herstellern machte Aprilia ohne Zweifel die größten Fortschritte von 2021 zu 2022.
Was waren die Gründe für die positive Entwicklung des Aprilia-Projekts in der MotoGP? Teammanager Paolo Bonora ist überzeugt, dass die neue Struktur einen großen Anteil am Erfolg hatte. Nachdem Aprilia vom MotoGP-Comeback in der Saison 2015 bis zur Saison 2021 auf ein Joint Venture mit dem Gresini-Team setzte, konnte man 2022 mit einem reinen Werksteam antreten.
„Der Wechsel vom Independent-Team zu einem richtigen Werksteam mit der Hilfe von Piaggio war der Schlüssel. Das hat allen Mitgliedern des Teams ein neues Gefühl vermittelt und für Antrieb gesorgt. Uns wurde klar, dass wir das Potenzial haben, besser zu sein“, erklärt Paolo Bonora bei ‚MotoGP.com‘
„Die Fahrer haben das gefühlt. So konnten sie noch einmal um 20 Prozent härter pushen“, schildert der Aprilia-Teammanager. Als reines Werksteam konnte sich Aprilia vom einzig verbliebenen Concessions-Hersteller zum WM-Anwärter mausern.
Der Grundstein für den Erfolg in der Saison 2022 wurde 2020 gelegt
„Wir haben einen riesigen Schritt gemacht und das macht uns sehr glücklich“, kommentiert der Aprilia-Manager. „Wir konnten nicht nur 2022 einen großen Schritt machen, es geht eher um die zurückliegenden zwei Jahre. Wir konnten die Fahrbarkeit und die Beschleunigung des Motorrads deutlich verbessern. Diese Fortschritte konnten alle unsere Fahrer sofort spüren.“
„Das Motorrad verfügt über eine viel bessere Balance. Am Kurvenausgang gibt es weniger Unruhe beim Beschleunigen. Beim Rennen in Argentinien sah man das bei Aleix sehr gut. Das war eine Strecke mit sehr wenig Grip. Er konnte ohne Hinterradpumpen aus den Kurven beschleunigen“, erinnert sich Paolo Bonora an den Sieg beim Rennen in Termas de Rio Hondo.
Warum der Wechsel zum 90-Grad-Motor für Aprilia so wichtig war
Den Grundstein für den Erfolg in der Saison 2022 legte Aprilia bereits im Winter 2019/2020, als der V4-Motor grundlegend überarbeitet wurde. Während die anderen Hersteller mit V4-Motoren – Honda, Ducati und KTM – auf einen Zylinderwinkel von 90 Grad setzten, verwendete Aprilia laut Insidern einen Zylinderwinkel von 72 Grad.
Dieses Konzept wurde begraben, weil es einige Nachteile mit sich brachte. Aprilia wechselte zum 90-Grad-Motor, der bei der Konstruktion des Motorrads einige Freiheiten ermöglichte. „Durch den größeren Zylinderwinkel können wir den Fahrer tiefer platzieren. Die Airbox kann auch niedriger untergebracht werden“, lässt Paolo Bonora durchblicken.
„Der Fahrer sitzt mehr im Motorrad. Das verbessert die Aerodynamik und somit auch den Topspeed. Zudem ermöglicht der 90-Grad-Motor einen natürlichen Ausgleich der Vibrationen“, erklärt der Aprilia-Teammanager und verweist damit auf die nun überflüssige Ausgleichswelle.
Neben der besseren Verteilung der Komponenten brachte der 90-Grad-Motor auch noch Vorteile bei der Leistung und beim Ansprechverhalten mit sich. „Es reicht noch nicht, denn unsere Fahrer fragen weiterhin nach mehr Leistung“, scherzt der Aprilia-Manager.
Signifikante Fortschritte bei der Elektronik und Aerodynamik
Doch im Vergleich zu älteren Versionen der RS-GP war die 2022er-Version deutlich leistungsstärker und brachte die vorhandene Leistung auch besser auf den Asphalt. Diese positive Entwicklung ist auch auf die verbesserte Elektronik zurückzuführen.
„Vor allem beim Beschleunigen haben wir die Elektronik verbessert. Wir haben versucht, Aleix und Maverick beim Gasanlegen noch mehr Gefühl zu ermöglichen. Wenn der Fahrer 60 Grad Schräglage fährt, ist es sehr wichtig, dass er ein sehr gutes Gefühl hat“, bemerkt Paolo Bonora.
Die Aerodynamik ist ein weiterer Bereich, der beim Zusammenspiel sehr wichtig ist. „Es war wichtig, dass alle Komponenten mit dem neuen Aerodynamik-Paket harmonieren, das wir in den zurückliegenden zwei Jahren verwendet haben“, so der Aprilia-Teammanager.
„Wir haben mit diesem Paket deutlich mehr Last auf der Front und auf dem Heck. Das erlaubt es uns, die Reifen stärker auf den Boden zu drücken und Wheelies zu unterdrücken. Das verbessert die Beschleunigung“, erklärt Paolo Bonora.
Aprilia verliert die Zugeständnisse und muss neue Abläufe etablieren
Durch die Erfolge in der MotoGP-Saison 2022 hat Aprilia die Zugeständnisse im Reglement verloren. Ducati, Suzuki und KTM hatten die Zugeständnisse der Concession-Regel (mehr Motoren, mehr Testmöglichkeiten und zu Beginn auch mehr Sprit) bereits eingebüßt
Was bedeutet das für Aprilia? „Wir müssen die Arbeitsweise ein bisschen ändern, vor allem was die Verwendung der Motoren angeht. Wir müssen besser verstehen, wie wir die Motoren über die Saison gesehen einsetzen“, spielt Paolo Bonora die geringere Anzahl an verfügbaren Motoren an und fügt hinzu: „Wir konzentrieren uns also stärker auf die Zuverlässigkeit anstatt auf die Performance.“
Das Ende der Vorteile kam für Aprilia nicht überraschend. „Wir haben uns bereits seit 2021 Gedanken darüber gemacht. Wir hofften natürlich, die Concessions zu verlieren. Jetzt haben wir die gleichen Voraussetzungen wie unsere Gegner“, bemerkt der Aprilia-Manager.
Durch das Ende der frei verfügbaren Testtage mit den Werkspiloten wird das Testteam wichtiger. Das sieht Aprilia aber nicht als großen Rückschlag an. „Es ist keine Limitierung. Wir müssen nur richtig damit umgehen“, kommentiert Paolo Bonora.
Testpilot Lorenzo Savadori trägt nun mehr Verantwortung. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Dinge, die wir mit dem Testteam untersuchen, bereit sind für das Werksteam. Wir müssen jetzt so arbeiten wie die anderen Hersteller“, erklärt der Aprilia-Teammanager, der für 2023 keine akuten Probleme erwartet.
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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