Kawasaki ZX-10RR - © Gold and Goose

© Gold and Goose – Kawasaki ZX-10RR: Die Basis des Motorrads ist in die Jahre gekommen

(Motorsport-Total.com) – Kawasaki hatte einen durchwachsenen Start in die WSBK-Saison 2023.

Nach drei von zwölf Events hat Rekord-Champion Jonathan Rea bereits über 100 Punkte Rückstand auf Titelverteidiger Alvaro Bautista (Ducati). Rea konnte in der laufenden Saison noch kein Rennen gewinnen. Bereits im Vorjahr deutete sich an, dass Kawasaki in der Superbike-WM nur noch dritte Kraft ist.

Wir haben uns vor dem Heimrennen des in Spanien stationierten Kawasaki-Werksteams mit Teammanager Guim Roda unterhalten und nach den Gründen für die aktuellen Probleme gesprochen. Vor allem das aktuelle Format mit den wenigen Möglichkeiten für Modifikationen wirft Kawasaki zurück. Hersteller mit aktuellen Superbikes, die kompromisslos für den Rennsport entwickelt wurden, sind klar im Vorteil.

Die Verantwortlichen der Superbike-WM haben vor dem dritten Event die Balance of Performance leicht angepasst. Ducati muss auf weitere 250 U/min verzichten (die Panigale V4R wurde bereits 2019 limitiert). Kawasaki setzt fünf Concession-Punkt ein, um die Drehzahl der ZX-10RR um 250 U/min anzuheben.

Kawasaki wünscht sich mehr Freiheiten bei der Entwicklung
Dass Ducati für die Erfolge bestraft wird, findet Kawasaki-Teammanager Guim Roda nicht richtig. Der Spanier würde bevorzugen, wenn die anderen Hersteller mehr Freiheiten zu erhalten, um den Anschluss an Ducati herzustellen.

„Es gibt eine technische Ebene und eine politische Ebene. Aus technischer Sicht muss ich festhalten, dass ich kein Befürworter davon bin, diejenigen zu limitieren, die gut gearbeitet haben. Mir ist es lieber, wenn alle mehr Freiheiten haben. Doch es gibt in dieser Meisterschaft einige Limits. Uns sind die Hände gebunden“, deutet Guim Roda das sehr strenge Reglement an, das über die Jahre immer weniger Spielraum für Entwicklungen bot.

„Wir können unser Motorrad nicht weiter verbessern. Wir wissen, was zu tun ist. Wir wissen, was wir machen müssen. Doch das ist leider nicht möglich“, ärgert sich der Kawasaki-Manager. „Wenn in dieser Meisterschaft weiterhin Serienmotoren mit kleinen Änderungen eingesetzt werden, dann ist man von der Philosophie des jeweiligen Herstellers abhängig.“

Konservative Philosophie wirft die japanischen Hersteller zurück
Und hinsichtlich der Philosophie gibt es große Unterschiede zwischen Ducati und den japanischen Herstellern. Während Ducati seinen Fokus auf den Rennsport lenkt, bleiben die Japaner ihrer konservativen Herangehensweise treu.

„Ducati baut Rennmotorräder für die Straße und die Japaner bauen Straßenmotorräder, mit denen sie auf der Rennstrecke fahren. Das sind unterschiedliche Konzepte“, bemerkt Guim Roda. „In der Vergangenheit wurden in der Superbike-WM immer Straßenmotorräder eingesetzt, die modifiziert werden durften. Die Modifikationen sind nötig, um die verschiedenen Bikes anzugleichen.“

„Wenn man diese Modifikationen begrenzt, dann begrenzt man auch die Konkurrenzfähigkeit einiger Motorräder“, kritisiert Guim Roda. Um die Kawasaki ZX-10RR näher an die Ducati Panigale V4R heranzubringen, wären laut dem Spanier keine extrem hohen Investitionen nötig.

„Einige Bauteile kann man sehr einfach verändern. Dafür wären nicht superteure Änderungen nötig, um die Leistung zu verbessern. Wir müssten nur einige Dinge ändern. Das gilt aber auch für andere Hersteller. Doch es ist schwierig. Das Problem ist, dass man mit einem japanischen Bike problemlos 50.000 Kilometer auf der Straße fahren kann. Das geht nicht mit einer Ducati“, vergleicht der Kawasaki-Teammanager.

„Von 2013 und 2014 an entwickelte sich das Reglement mehr in Richtung Serie. Doch damit zwingt man die Hersteller dazu, Motorräder für den Wettbewerb zu bauen. Es ist schwierig und nicht einfach, eine richtige Antwort zu finden“, ist sich Guim Roda bewusst.

Gibt es hinter den Kulissen Gespräche, das technische Reglement wieder freizügiger zu gestalten? „Es ist nicht mein Job, das zu ändern. Wir müssen das Maximum aus dem herausholen, mit dem wir arbeiten können. Natürlich wissen wir, was wir am Motorrad ändern müssen, doch das ist aus politischer Sicht nicht möglich“, so Guim Roda.

Frust über Anhebung der Obergrenze von 40.000 auf 45.000 Euro
Im Winter wurde die Obergrenze von 40.000 Euro für das homologierte Superbike auf 45.000 Euro angehoben. Dies geschah, weil die 2023er-Version der Ducati Panigale V4R laut dem Stand von 2022 nicht startberechtigt wäre. Begründet wurde die Änderung mit gestiegenen Kosten auf Grund der Pandemie und Inflation.

„Politisch und von der Art und Weise wurde das nicht schön umgesetzt“, kommentiert Guim Roda. „Ducati hat das Motorrad auf den Markt gebracht und tätigte dann einen Anruf, um die Regeln zu ändern.“

„Die finanzielle Obergrenze war ein Werkzeug der japanischen Hersteller, um mit Ducati mithalten zu können. Doch diese Regel wurde geändert. Ducati konnte ziemlich einfach eine neue Homologation bringen, um das bisherige Bike noch weiter zu verbessern. Das ist alles offensichtlich. Kawasaki, Honda, Suzuki und manchmal auch BMW versuchen, günstige Motorräder anzubieten. Die Philosophie ist anders“, stellt der Kawasaki-Manager fest.

Warum Kawasaki nicht einfach ein neues Superbike bauen kann
Kritiker behaupten, Kawasaki sollte Ducati zum Vorbild nehmen und ein modernes Superbike bauen. Doch für Kawasaki ist es deutlich schwieriger, ein hochpreisiges Sportmotorrad zu entwickeln, weil die geringen Stückzahlen nicht die hohen Entwicklungskosten rechtfertigen.

„Aktuell werden die Hersteller dazu gezwungen, neue Motorräder zu bauen, deren Spezifikation ermöglichen, hier konkurrenzfähig zu sein. Mit freizügigeren Regeln könnte Kawasaki noch fünf Jahre mit dem aktuellen Bike mitfahren“, ist Guim Roda überzeugt.

„Der Markt fordert aktuell keine neuen Motorräder. Die Kosten für die Entwicklungen sind zu hoch. Man kann nicht für 500 Einheiten ein neues Motorrad entwickeln. Dafür sind Einheiten von 10.000, 15.000 oder 20.000 nötig, um die Kosten wieder einzuspielen“, erklärt der Kawasaki-Manager.

Großer Respekt für Ducatis gute Entwicklungsarbeit
„Wir erkennen an, dass Ducati gut gearbeitet hat“, würdigt Guim Roda die Erfolge der Italiener. „Sie haben sehr gutes Motorrad für den Rennsport gebaut. Wenn man dann noch die Größe und das Gewicht des Fahrers dazu kombiniert, dann wird es sehr schwierig, sich durchzusetzen.“

„Wie oft hat Alvaro auf der Bremse überholt? Nie. Er überholt nur auf den Geraden und fährt dann davon. Das ist okay. Sie haben sich entschieden, diesen Vorteil für sich zu nutzen. Doch für Fahrer wie Toprak oder Johnny ist es sehr schwierig, dagegen anzukommen“, bedauert der Verantwortliche der spanischen Provec-Kawasaki-Crew.

„Das Gewicht wirkt sich zudem auf die Reifen aus, die weniger beansprucht werden. Im finalen Teil des Rennens wirkt sich das sehr stark aus“, stellt Guim Roda fest und fügt hinzu: „Für uns ist es schwierig, darauf eine Antwort zu finden.“

„Wir müssen versuchen, mit unseren Werkzeugen das Beste herauszuholen. Wir respektieren, dass die anderen gut gearbeitet haben und schauen, wie wir uns verbessern können“, so der Kawasaki-Teammanager.

Die Erwartungen für das Heimrennen in Barcelona sind gering. In den zurückliegenden Jahren hatte Kawasaki in Barcelona vor allem im finalen Renndrittel zu kämpfen. Zudem ist die lange Start/Ziel-Gerade ein Problem für die Kawasaki-Piloten.

„In Barcelona verlieren wir durch die Beschleunigung und den Motor allein auf der Geraden drei Zehntelsekunden und auf der Gegengeraden eine weitere Zehntelsekunde. Es ist schwierig, das auf diesem Niveau zu kompensieren. Es ist schwierig, wenn man bereits 0,4 Sekunden zurückliegt“, bemerkt Guim Roda und nennt das Ziel für das vierte Event: „Wir müssen hier versuchen, gegen die anderen Reihenvierzylinder zu bestehen.“

Text von Sebastian Fränzschky

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