(Motorsport-Total.com) – Um in der MotoGP-Saison 2025 für das Ducati-Werksteam antreten zu können, müsste Marc Marquez – einer von drei Kandidaten auf den Platz neben Francesco Bagnaia – fast alle seine persönlichen Sponsoren aufgeben. Red Bull ist der größte davon, aber nicht der einzige.
Als sich Marquez im Herbst 2023 entschied, auf das Geld zu verzichten, das ihm im letzten Jahr seines Honda-Vertrags zustand, da verließ er sich auf seine persönlichen Sponsoren, allen voran Red Bull. Der Spanier gab das letzte Jahr seines ursprünglich bis Ende 2024 geschlossenen Honda-Vertrags auf, um zu Gresini zu wechseln und dort mit einer letztjährigen Ducati Desmosedici GP23 zu fahren.
Einhergehend mit Marquez‘ Abschied aus dem Honda-Werksteam nach elf Jahren sind die Red-Bull-Logos dort verschwunden. Der Energydrink-Gigant aus Österreich ist dem achtmaligen Motorrad-Weltmeister zu Gresini gefolgt.
Marquez‘ Schritt, der von einigen als mutig und von anderen als leichtsinnig bezeichnet wurde, bedeutete auch, dass er eine Werksstruktur hinter sich ließ, um sich einem Satellitenteam anzuschließen, um dort das Motorrad zu fahren, auf dem Francesco Bagnaia und Jorge Martin in der MotoGP-Saison 2023 den WM-Titel unter sich ausmachten.
Das Opfer für Marquez war – zumindest in finanzieller Hinsicht – enorm. Inzwischen aber beginnt er die Früchte zu ernten. „Ich habe mehr und mehr Spaß am Fahren, und die ersten Ergebnisse stellen sich ein“, erklärte er am vergangenen Donnerstag in Le Mans, bevor er am Samstag und Sonntag mit zwei starken Rennen vom 13. Startplatz sowohl im Sprint als auch im Grand Prix den zweiten Platz belegte.
Marquez: „Wir sind alle hier, um zu gewinnen“
Mit seinen 31 Jahren sieht Marc Marquez nun die reale Möglichkeit, Ducati-Werkspilot zu werden. Er sieht die Chance, für die MotoGP-Saison 2025 die dann aktuelle Spezifikation des derzeit konkurrenzfähigsten Motorrads zu bekommen. Dieses würde ihm seiner Meinung nach die beste Garantie bieten, wieder Weltmeister zu werden. Und genau das ist schließlich sein großes Ziel.
Allerdings bringt Marquez der neue Schritt in seinem Plan an einen weiteren Scheideweg, der eine neue Entscheidung erfordert. Und abermals spielt der wirtschaftliche Aspekt eine entscheidende Rolle. Wenn man das globale Abkommen zwischen Ducati und Monster Energy berücksichtigt, welches Ende 2025 ausläuft, dann müsste Marquez für einen Wechsel ins Ducati-Werksteam zur kommenden Saison seine Beziehung zu Red Bull beenden – dem treuesten Verbündeten, den er in seiner Karriere hatte.
„Ich hoffe, wir kommen an den Punkt, an dem man über alles reden kann“, sagte Marquez kürzlich in einem Interview mit Motorsport.com Spanien. Die Aussage war ebenso formell wie zweideutig, denn die Unvereinbarkeit liegt auf der Hand, wenn es um die Koexistenz zweier Marken geht, die in direkter Konkurrenz zueinander stehen.
Am vergangenen Wochenende in Le Mans wurde Marquez erneut zu diesem Thema befragt. Und diesmal ließ er weniger Zweifel aufkommen. „Im Leben muss man manchmal Entscheidungen treffen, die einem nicht gefallen oder die man nicht treffen möchte. Wir sind alle hier, um zu gewinnen. Und um das zu erreichen, muss man immer nach den besten Bedingungen suchen. Man muss alles in Betracht ziehen“, sagte er.
Lorenzo: Zweites Jahr auf altem Bike würde Marquez „nicht akzeptieren“
Auch Jorge Lorenzo – einst sowohl Konkurrent von Marquez um WM-Titel und später dessen Teamkollege bei Honda – äußerte sich am Le-Mans-Wochenende zur Zukunft des sechsmaligen MotoGP-Weltmeisters. „Ich glaube nicht, dass Marc zustimmen würde, ein weiteres Jahr auf einem Motorrad zu verbringen, das im Vergleich zu seinen Rivalen, wenn sie bei Ducati bleiben, älter ist“, sagte Lorenzo gegenüber DAZN.
„Es kann nicht sein, dass Morbidelli ein 2024er-Werksmotorrad hat und Marc Marquez nicht“, so Lorenzo und weiter: „Aufgrund der Situation, in der er sich befand, und weil es nicht mehr viele freie Plätze gab, hat er akzeptiert, zu Gresini zu gehen. Aber ein weiteres Jahr mit einem alten Motorrad? Ich glaube nicht, dass Marc das akzeptieren wird.“
Dazu passt, was Marquez selber am Sonntag nach seinem zweiten Platz im Grand Prix von Frankreich gesagt hat. „Wenn ein Fahrer seinen Vertrag beendet und ein Werk, welches auch immer es ist, Motorräder zur Verfügung hat, dann wäre es dumm, nicht zumindest ein Gespräch zu führen. Man muss mit jedem reden“, sagte er. Nachsatz: „Logischerweise gibt es Gespräche.“
Red Bull nicht die einzige Marke in Konflikt mit Ducati-Werksteam
Aber: Sollte Ducati für 2025 Marc Marquez als neuen Teamkollegen für Francesco Bagnaia auswählen, dann wäre die Verbindung mit der Marke Red Bull nicht die einzige, die gebrochen werden müsste. Tatsächlich stehen beim Vergleich der Sponsoren des Werksteams aus Italien und des MotoGP-Superstars aus Spanien bis zu vier weitere Marken in Konflikt.
Die erste ist Samsung, ein Elektronikhersteller, der mit Marquez verbunden ist und mit Ducatis Titelsponsor Lenovo konkurriert. Die zweite ist Allianz. Die Versicherungsgesellschaft, für die Marquez einer der wichtigsten Werbeträger ist, ist ein direkter Konkurrent von Unipol. Die dritte ist Oakley. Die Brillenmarke, welche die Gresini-Piloten ausrüstet, konkurriert mit der Marke Carrera, für die Fahrer des Ducati-Werksteams werben.
Und schließlich steht Estrella Galicia, der langjährige Sponsor der Marquez-Brüder, im Konflikt mit der Marke Contadi Castaldi, die in der Sektbranche tätig ist. Kurzum: Marc Marquez müsste praktisch alle seine derzeitigen persönlichen Sponsoren fallen lassen – oder zumindest seine Beziehungen zu ihnen vorübergehend aussetzen – um 2025 für das Ducati-Werksteam fahren zu können.
Marquez nun offen für Zukunft in einem Satellitenteam
Vielleicht aus diesen Gründen, vielleicht aber auch aus anderen, ist es eine Tatsache, dass Marquez‘ Worte in Le Mans anders klangen als noch zwei Wochen zuvor. Bei seiner Ankunft zum Spanien-Grand-Prix in Jerez wurde er Ende April direkt gefragt, was er von Pramac halte und ob er einen Wechsel dorthin in Betracht ziehen würde. „Pramac ist ein gutes Team, aber es ist nicht das Werksteam“, antwortete er mit Nachdruck.
Am Sonntag in Le Mans präzisierte Marquez seine Wünsche. Gegenüber Sky Italia deutete er an, dass nicht ein roter Overall, sondern die neueste Spezifikation der Desmosedici seine Priorität für das kommende Jahr ist. „Als ich die Entscheidung traf [Honda zu verlassen], wusste ich, dass die Ducati das stärkste Motorrad ist. Ich beschloss, mit dem stärksten Bike zu fahren, um zu sehen, was ich kann. Denn sogar ich hatte Zweifel, ob ich es noch drauf habe.“
Inzwischen weiß Marquez: „Ich bin konkurrenzfähig. Und für nächstes Jahr möchte ich natürlich versuchen, die neueste Spezifikation zu bekommen, egal welches Motorrad, welche Farbe, welche Marke. Denn damit hat man einfach bessere Chancen, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Ich habe klare Vorstellungen.“
Sollte es entweder so kommen, dass Marquez für 2025 von Gresini zu Pramac wechselt, während Jorge Martin ins Werksteam transferiert wird, oder aber dass Gresini Werksmaterial erhält, wenn Pramac von Ducati auf Yamaha umsattelt, dann würde das Marc Marquez nicht nur erlauben, sich einem Titelkampf mit allen technischen Garantien zu stellen. Es würde ihm auch die Tür öffnen, seine persönlichen Sponsoren Red Bull, Samsung, Allianz, Oakley und Estrella Galicia zu behalten.
Text von German Garcia Casanova, Co-Autor: Mario Fritzsche
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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