„Pecco“ Bagnaia vertraute am Sonntag in Misano auf seinen Instinkt

(Motorsport-Total.com) – Während Marc Marquez am Sonntag in der entscheidenden Phase des San-Marino-Grand-Prix in Misano mehr Risiko einging und damit den Grundstein für seinen zweiten MotoGP-Rennsieg innerhalb von sieben Tagen legte, ließ es Francesco Bagnaia in dieser Phase etwas ruhiger angehen.

An Marquez kam Bagnaia zwar nicht mehr vorbei, nachdem er von diesem auf feuchter Piste überholt worden war. Mit Platz zwei kann Bagnaia aber trotzdem gut leben, weil WM-Spitzenreiter Jorge Martin nach seiner Motorradwechsel-Taktik, die nach hinten losging, nur P15 belegt hat.

„Wie ein Sieg schmeckt dieses Ergebnis nicht, weil es kein Sieg ist“, sagt Bagnaia nach P2. „Aber gut schmeckt es trotzdem. Gestern war ich sauer, weil ich die Chance auf den Sieg hatte und ich sie nicht genutzt habe. Heute habe ich das Maximum mitgenommen. Der Sieg war heute kaum möglich.“

So wie es Jorge Martin gemacht hat, nämlich zum Motorradwechsel an die Box zu kommen, daran dachte Bagnaia nicht. „Ich weiß, wie es hier riecht, wenn Regen kommt“, sagt der Italiener und meint das absolut ernst: „Ich spreche von dem Geruch, den wir hier im Fahrerlager am Donnerstag hatten, als der Regen kam. Das war ein ganz anderer Geruch als heute.“

Bagnaia und Bastianini vertrauen auf Instinkt
Bagnaias Ducati-Teamkollege Enea Bastianini äußerte sich nach seinem dritten Platz am Sonntag ganz ähnlich. Als es darum ging abzuwägen, ob man besser zum Wechsel auf das Bike mit Regenreifen an die Box kommen solle, oder aber mit dem slickbereiften Bike auf der Strecke bleiben solle, da vertraute auch Bastianini, der keine 30 Kilometer entfernt in Rimini zu Hause ist, auf sein Gefühl und seine Erfahrungen.

Einen der Lokalmatadoren allerdings täuschte das Gefühl. Auch Franco Morbidelli blieb in der entscheidenden Phase des Rennens, als die Regentropfen am stärksten waren, auf der Strecke. Er rutschte auf der feuchten Piste in Kurve 1 ins Kiesbett und war aus dem Rennen.

Morbidellis Sturz passierte kurz bevor sich Pramac-Teamkollege Jorge Martin entschied, an zweiter Stelle hinter Bagnaia fahrend in die Boxengasse abzubiegen. Es war eine Entscheidung, die der in WM führende Spanier nur drei Runden später revidierte, indem er ein zweites Mal zum Motorradwechsel an die Box kam.

Rückblickend gibt Martin zu, dass er dem Beispiel Bagnaia hätte folgen und draußen bleiben sollen. Genau so gemacht, nämlich draußen zu bleiben, hat es Sieger Marc Marquez, der sich bewusst an Bagnaia orientierte.

An Bagnaia vorbei ging Marquez, weil er auf der Gresini-Ducati in dieser Phase des Rennens mehr Risiko einging. Und Bagnaia bekam kurz darauf per Boxentafel die Information, dass für WM-Spitzenreiter Martin wenig zu holen sein würde. Somit hatte „Pecco“ kein großes Problem damit, sich mit P2 hinter Marquez abzufinden, weil er die WM im Hinterkopf hatte.

„Schon als Morbidelli gestürzt ist, habe ich ein bisschen langsamer gemacht. Ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Und nachdem Martin an der Box war, galt das erst recht“, sagt Bagnaia nach dem Rennen. Dennoch hätte er, wenn es die Umstände zugelassen hätten, gerne selber gewonnen.

„Ich habe hier jetzt zwei Rennen hintereinander nicht gewonnen“, denkt Bagnaia an den San-Marino-Grand-Prix 2023 (Sieger damals Jorge Martin) und an den San-Marino-Grand-Prix 2024 vom Sonntag, und sagt: „Ich wollte meinen Fans, die mich hier immer so stark anfeuern, ein Geschenk machen, das ein bisschen größer ist als ein zweiter Platz.“

Bagnaia schreibt Marquez/Bastianini noch lange nicht ab
In der MotoGP-Gesamtwertung 2024 ist der Vorsprung von Tabellenführer Jorge Martin am Sonntag in Misano auf sieben Punkte geschrumpft. Francesco Bagnaia ist weiterhin derjenige, der dem Pramac-Piloten am dichtesten auf den Fersen ist. Aber auch Marc Marquez und Enea Bastianini haben mit ihrem ersten respektive dritten Platz am Sonntag einige Punkte auf Martin aufgeholt.

Vor dem zweiten Misano-Rennwochenende, dem Grand Prix der Emilia-Romagna (20. bis 22. September), sind die Top 4 in der WM-Tabelle jetzt nur noch durch 62 Punkte getrennt. Bagnaia sagt mit Blick auf diese Ausgangslage: „Man weiß nie, was passiert. Ich selber zum Beispiel hatte gestern noch 26 Punkte Rückstand. Jetzt sind es sieben Punkte.“

Und über seine eigenen Verfolger in der WM-Tabelle – Marc Marquez und Enea Bastianini – sagt Bagnaia: „So lange es rechnerisch möglich ist, musst du die anderen Fahrer auf der Rechnung haben. Mit Fahrern wie Marc und Enea ist immer zu rechnen. Ich habe nie daran gedacht, dass sie raus wären [aus dem WM-Kampf]. Denn ich kenne ihr Potenzial und das Potenzial ihrer Motorräder. Ich weiß, dass sie bis Valencia um den Titel kämpfen können.“

Text von Mario Fritzsche

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