Nachrichten auf dem Display im Cockpit sind bisher nur von der Formel 1 bekannt.
Nun zieht die Motorrad-Weltmeisterschaft nach. Die Grand-Prix-Kommission hat am Rennwochenende in Assen die Einführung von Dashboards in der MotoGP und der Moto3 ab der Saison 2018 beschlossen. Nachrichten sollen dann direkt an die Fahrer per Textnachricht übermittelt werden.
Doch viele Piloten sind skeptisch: Mutiert die MotoGP immer mehr zur Formel 1? Und werden die Rennen dadurch langweiliger?
Der Großteil der Piloten hat sich bei dem Treffen der Sicherheitskommission in Assen für die Innovation ausgesprochen, nur KTM-Pilot Bradley Smith war strikt dagegen. Die „virtuelle Boxentafel“ sei „ein weiteres Sicherheitsnetz, das die Meisterschaft manipuliert“, glaubt der Brite. Er wehrt sich dagegen, Nachrichten zu erhalten, die in das Renngeschehen eingreifen könnten. Die Kämpfe sollten von den Entscheidungen der Piloten getragen sein, nicht wie in der Formel 1, wo „Rennen von den Teams und deren Strategien diktiert“ werden, meint Smith.
Er führt an, dass bei Regenrennen der Risikofaktor dem Spektakel zuträglich sei. Zum Beispiel Deutschland 2016. „Warum hat Marc mit einem großen Vorsprung gewonnen? Weil wir alle Idioten waren. Wir selbst mussten die Entscheidung treffen, nicht die Teams.“ Marquez gewann auf dem Sachsenring dank seiner Taktik, er fuhr als Erster zum Motorradwechsel an die Box und konnte so triumphieren. Laut Smith sollten Rennen unvorhersehbar bleiben. „Daher ist das Glücksspiel so beliebt. Weil es einer Person, die eigentlich wenig Chance hätte, die Möglichkeit zum Sieg gibt. Das sollte die MotoGP beibehalten.“
„MotoGP sollte nicht Formel 1 werden“: Fahrer sollen entscheiden
Als negatives Beispiel führt Pramac-Ducati-Pilot Scott Redding Tech-3-Rookie Johann Zarco an, der im Deutschland-Rennen 2017 spät zum Bikewechsel an die Box kam, was sich im Nachhinein jedoch als falsche Entscheidung erwiesen hat. „Ich denke nicht, dass wir dadurch so viel mehr Information bekommen, als wir durch die Boxentafel bereits haben. Man kann dadurch nicht wirklich kommunizieren“, glaubt er. „Sie können dir nur sagen, wann du an die Box kommen sollst in einem Flag-to-Flag-Rennen, oder ob du eine Position hergeben sollst. Zarco wäre vielleicht nicht an die Box gekommen und wäre daher in einer anderen Position gewesen am Ende des Rennens.“
Auch Redding betont: „Jedoch sollte die MotoGP nicht wie die Formel 1 werden. Dort warten sie nur darauf, bis andere ihnen Entscheidungen abnehmen.“ Allerdings kann mit den Piloten nicht uneingeschränkt kommuniziert werden. Für 2018 ist eine standardisierte Liste mit Sätzen festgelegt, die die Rennleitung verwenden kann. „Du musst mit dem Team besprechen, wie man kommunizieren sollte. Vielleicht könnten Signale helfen“, regt Aprilia-Pilot Aleix Espargaro für die „virtuelle Boxentafel“ an. „Wenn du zum Beispiel eine Fünf siehst, weißt du, dass du auf Slicks wechseln musst. Wir brauchen einfache Kombinationen, sonst könnte es gefährlich werden.“
Wie der Spanier ist auch LCR-Honda-Pilot Cal Crutchlow skeptisch. Auch er befürchtet einen zusätzlichen Risikofaktor: „Ich weiß nicht, wie wir jetzt noch mehr lesen sollen. Hoffentlich verursacht das keine Unfälle, weil jemand auf das Display schaut, wenn er eigentlich bremsen sollte. Ich muss nicht lesen: ‚Mach das, oder das‘.“ Cruchtlow sagt über sich selbst, dass er noch zur alten Garde zählt und der Innovation daher eher ablehnend gegenübersteht. „Je weniger, desto besser“, lautet seine Meinung. Und auch Aleix Espargaro muss zugeben: „Glaub mir, wenn du auf einer MotoGP-Maschine im Regen auf Slicks unterwegs bist, ist es dir scheiß egal, welche Nachricht du bekommst.“
Es sei ein feiner Grad zwischen gut und schlecht: Auf der einen Seite müsse die MotoGP mit der Zeit gehen. Andererseits haben viele Piloten nicht nur das Gefühl, entmachtet zu werden, sondern zusätzlich einer gefährlichen Situation ausgeliefert zu sein. „Wenn du es dir auf der Geraden ansiehst – das ist eigentlich die einzige Stelle, die auf einem MotoGP-Bike möglich ist -, könntest du den Vordermann treffen, wenn der ein Problem hat“, gibt Espargaro zu bedenken. Bruder Pol stimmt ihm zu: „Es wird schwierig sein, auf das Display zu schauen, während du versuchst, die schnellste Runde zu fahren oder bei Regen das Bike zu wechseln.“
„Dennoch ist es eine weitere Hilfe, die wir nun haben, also müssen wir es auch ausnutzen“, fordert der KTM-Pilot. Einige Teams haben die Neuerung in Trainings bereits getestet. Während Dani Pedrosa noch recht wenig damit anfangen kann („Wir haben es noch nicht probiert. Manche Fahrer werden es mehr mögen als andere.“), gibt Ducati-Star Jorge Lorenzo erste Gehversuche damit zu: „Wir haben ein paar Nachrichten auf dem Display ausprobiert. Ich habe am Ende des Trainings Bikes gewechselt“, schildert der Ex-Champion am Rande des Sachsenring-Wochenendes.
Text von Maria Reyer & David Emmett
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