(Motorsport-Total.com) – In den vergangenen Tagen absolvierte Philipp Öttl die ersten Tests mit der Yamaha R1.
Der 27-jährige Deutsche fuhr insgesamt neun Tage in Spanien, um sich einen ersten Eindruck von seinem neuen Arbeitsgerät für die Superbike-WM 2024 zu verschaffen.
Beim Test pilotierte Öttl eine Yamaha R1 in Stock-Spezifikation und musste auf die Unterstützung seiner GMT94-Crew verzichten, um das Reglement der WSBK nicht zu verletzen. Wir haben uns exklusiv mit Öttl über den ersten Yamaha-Test unterhalten und nach den Zielen für die WSBK-Saison 2024 gefragt.
Vater Peter Öttl begleitete seinen Sohn nach Spanien und fungierte vor Ort als Helfer. „Wir sind ein eingespieltes Team“, erklärt Philipp Öttl, der gern auf seinen Vater zurückgreift: „Er kann mir als Mechaniker helfen. Zudem fungiert er auch wie eine Art Riding-Coach. Er schaut an der Strecke. Er ist die bestmögliche Person, die ich mitnehmen kann.“
Im vergangenen Herbst war lange Zeit ungewiss, wie es 2024 bei Philipp Öttl weitergeht. Seinen Platz bei GoEleven-Ducati verlor der Deutsche an Andrea Iannone, der mit Unterstützung von Ducati bei GoEleven untergebracht wurde. Öttl zeigte im finalen Drittel der WSBK-Saison 2023 starke Leistungen und unterhielt sich mit einigen Teams. Doch bis zum Saisonfinale gab es keinen Vertrag.
Erst am 8. November verkündete Öttl den Deal mit GMT94-Yamaha. „Wir hatten bereits länger Kontakt gehabt“, verrät er. „Doch es zog sich ewig, weil Yamaha mit Bradley Ray einen Yamaha-Fahrer in diesem Team unterbringen wollte. Es hat sich ewig lang hingezogen. Eine Woche vor Jerez wurde es dann konkreter. Wir mussten aber auf die Bestätigung von Yamaha warten.“
Warum Philipp Öttl nicht beim Nachsaison-Test in Jerez dabei war
Ein Großteil der Fahrer und Teams testete am Dienstag nach dem Saisonfinale in Jerez. Öttl war nicht dabei. Er musste einem seiner neuen Markenkollegen den Vortritt lassen. „Sie wollten schauen, ob der Bradley Ray fit ist nach seiner Verletzung“, begründet Öttl, der großes Verständnis für die Entscheidung von Yamaha zeigt.
Andererseits war es eine verpasste Chance, um vor dem Jahreswechsel einen ersten Eindruck von der Yamaha R1 zu erhalten. „Natürlich hätte mir der Test geholfen. Ich hatte auch alles dabei, um zu testen. Das zeigt, dass alles auf der Kippe stand. Es war für alle Beteiligten keine einfache Situation“, kommentiert Öttl im Exklusiv-Interview mit ‚Motorsport-Total.com‘.
„Ich konnte die Gründe aber nachvollziehen, warum Yamaha wollte, dass Bradley Ray fährt. Deshalb war es für mich kein Thema“, erklärt Öttl. „Aber ich wäre natürlich gern so früh wie möglich mit dem Motorrad gefahren, um zu verstehen, wie es funktioniert.“
Gab es Alternativen zu GMT94-Yamaha?
Mit seinen starken Ergebnissen empfahl sich Öttl nach der Sommerpause für die Saison 2024. Doch lange Zeit war unklar, ob es für den Deutschen in der Superbike-WM weitergeht. „An verschiedenen Möglichkeiten ist es nicht gescheitert. Es waren auch einige gute Möglichkeiten dabei“, erklärt Öttl, der viele verschiedene Angebote für andere Klassen erhielt.
„Ich wollte in der Superbike-WM bleiben“, begründet Öttl seine Wahl. Und auch in der Superbike-WM hätte es noch eine andere Option gegeben. „Es gab noch eine Alternative in der Superbike-WM, aber die war etwas schwammig“, bemerkt er. „Bei dieser Option wäre noch vieles zu organisieren gewesen. Das Team wollte mich und bemühte sich. Aber es war ziemlich spät vom Zeitpunkt her.“
Welche Rolle Ducati Deutschland bei den Verhandlungen spielte
In den zurückliegenden zwei Jahren baute Öttl eine gute Verbindung zu Ducati Deutschland auf, besuchte verschiedene Events und half auch bei Trackdays als Instruktor. Konnte Ducati Deutschland nicht helfen, Öttl in einem der Ducati-Teams unterzubringen?
„Ich befürchte, dass Ducati Deutschland nicht die Möglichkeiten hatte, um mir zu helfen“, grübelt Öttl. „Klar wäre es für sie gut gewesen, wenn es weiterhin einen deutschen Fahrer auf einer Ducati gegeben hätte. Aber die Möglichkeiten waren einfach nicht da. Ich kam mit Ducati Deutschland super aus. Aber ihnen waren die Hände gebunden, etwas zu machen.“
Positive erste Eindrücke zur Yamaha R1
Bei den privaten Tests in Spanien verschaffte sich Öttl in den vergangenen Tagen einen Überblick, wie die Yamaha R1 funktioniert. Beim Test konnte er aber nicht mit der WSBK-Version des japanischen Superbikes fahren.
„Das Motorrad befand sich unterhalb vom IDM-Level“, schildert Öttl. „Yamaha Deutschland hat mich wirklich gut unterstützt, was das Trainingsmotorrad betrifft. Sie haben extra ein Motorrad aufgebaut für die Wintertrainings.“
Der erste Eindruck von der R1 stimmt Öttl sehr optimistisch: „Es ist ein wirklich gutes Motorrad. Klar, es handelte sich beim ersten Test nu um ein Stock-Motorrad. In der Superbike-WM wird praktisch jedes Teil ausgetauscht. Ich denke aber, dass man die Grund-DNA durchaus vergleichen kann. Und der erste Eindruck ist richtig gut.“
„Das Trainingsmotorrad hat natürlich nicht so viel Leistung wie das Rennmotorrad. Aber von der Charakteristik ist es so, wie alle sagen. Man setzt sich drauf, es funktioniert und fühlt sich gut an. Die Yamaha hat ein gutes Turning und das Handling ist auch super. Es ist ein richtig gutes Motorrad und lässt sich gut fahren“, lobt er die Eigenschaften der Yamaha R1.
Auf der Ducati Panigale V4R fühlte sich Öttl am Ende der zurückliegenden Saison sehr wohl. Wie gut harmoniert der Fahrstil des Deutschen mit der Yamaha R1? „Ich denke, dass die Yamaha gut zu meinem Fahrstil passt. In der Superbike-WM ist es wichtig, richtig mit dem Gas umzugehen und das Motorrad zeitig aufzurichten. Das funktioniert gut, weil die Beschleunigung gut ist“, erklärt der ehemalige Grand-Prix-Pilot.
„Zumindest beim Trainingsmotorrad war die Beschleunigung richtig gut“, berichtet Öttl und zieht einen Vergleich zu seinem ehemaligen Trainingsmotorrad: „In Valencia habe ich nur den Vergleich zur Panigale V4S, die aber 1.100 Kubikzentimeter hat. Deshalb kann man sie nicht mit einer 1000er vergleichen. Die Yamaha drückt aber mindestens genauso von unten heraus.“
Wie gut ist die Spezifikation, die Philipp Öttl von GMT94 erhält?
In der vergangenen Saison trat das GMT94-Team mit Lorenzo Baldassarri an, der nach einer starken Debütsaison in der Supersport-WM in die Superbike-WM aufstieg. Doch der Italiener erlebte kein gutes Jahr. Wie gut ist das Material, das GMT94 seinem Fahrer zur Verfügung stellt?
„Laut Vertrag sollte es keinen Unterschied zu den GRT-Bikes geben. Das wurde mir zugesichert und versprochen. Ich hoffe, dass es auch eingehalten wird“, kommentiert Öttl, der somit aus technischer Sicht nicht weit von der Werks-Spefizikation entfernt ist.
Öttl kann die Daten der anderen Yamaha-Piloten einsehen. „Das ist eine Hilfe. Es ist immer gut, wenn man vergleichbare Daten hat. Das hilft auf jeden Fall“, begrüßt er die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. „Es ist immer interessant, die Daten von anderen Fahrern zu studieren. Oft zeigen die Daten ganz andere Werte, als man auf Grund der jeweiligen Fahrstile der anderen Piloten erwartet.“
Welche Ziele sich Philipp Öttl für die WSBK-Saison 2024 steckt
Öttl steht vor seiner dritten Saison in der Superbike-WM. Seine Rookiesaison beendete der Deutsche trotz einer Verletzung zu Beginn auf P13 und wurde im Vorjahr nach einigen Rückschlägen auf P15 gelistet. Welches Ziel verfolgt Öttl für die neue Saison?
„Absolut happy wäre ich, wenn ich es in der Gesamtwertung in die Top 10 schaffe. Ich weiß, dass es extrem schwierig ist, dieses Ziel zu erreichen. Aber das ist ein Ziel, das ich verfolge“, erklärt der zielstrebige Athlet aus Bad Reichenhall.
„Es wird von Jahr zu Jahr immer schwieriger“, weiß Öttl. „Ich fahre jetzt schon so lange in der WM. Und jedes Jahr sagt man erneut, dass es im neuen Jahr noch schwieriger wird. Das ist einfach so. Es wird sicher nicht leichter. Es kommen neue Fahrer dazu, die richtig gut sind. Doch wenn ich gutes Material bekomme, dann können wir gute Rennen zeigen.“
„Wir haben uns schon intensiv unterhalten. Ich vertraue dem Team. Wenn ich das richtige Material erhalte, dann sind wir auch konkurrenzfähig“, schaut Öttl optimistisch auf die WSBK-Saison 2024. Sein neues Team konnte Öttl bisher nur virtuell treffen.
„Ein richtiges Treffen hat sich bisher noch nicht ergeben, weil die Zeit fehlte. Aber wir haben viele Videoanrufe gemacht. Ich kenne das Team schon ein bisschen, vor allem den Crewchief, den Daten-Ingenieur und Christophe (Guyot, Teammanager; Anm. d. Red.). Die Mechaniker werde ich noch kennenlernen“, erklärt Öttl.
Den ersten Test mit der WSBK-Version wird Öttl am 24. und 25. Januar in Jerez absolvieren. Bei diesem Test testen auch die Werksteams von Ducati, Yamaha, Kawasaki, BMW und Honda.
Text von Sebastian Fränzschky
Quelle, Infos, Hintergrundberichte: www.motorsport-total.com/
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