(Motorsport-Total.com) – Yamaha steckt in der Krise. Der letzte MotoGP-Sieg für den japanischen Hersteller (Valentino Rossi in Assen 2017) liegt über ein Jahr zurück.
Am vergangenen Wochenende in Spielberg erlebte das Team einen neuen Tiefpunkt, als Rossi im Qualifying an der Q2-Hürde scheiterte und von Platz 14 ins Rennen gehen musste. Teamkollege Maverick Vinales startete von Platz elf nicht viel weiter vorn. Yamahas MotoGP-Projektleiter Kouji Tsuya nahm das Qualifying-Ergebnis zum Anlass dafür, sich öffentlich bei seinen beiden Piloten zu entschuldigen.
Im Rennen lief es zwar etwas besser, als Rossi sich mit starker Aufholjagd nach vorn fuhr. Doch mehr als Platz sechs war für „The Doctor“ von derart weit hinten in der Startaufstellung nicht drin. Vinales rutschte im Vergleich zu seiner Startposition sogar um einen Platz ab und kam nur als Zwölfter ins Ziel. Dass bei Yamaha der Wurm drin ist, kann auch Teammanager Lin Jarvis nicht leugnen.
„Es ist offensichtlich, dass wir in Schwierigkeiten stecken“, so Jarvis nach dem Rennen gegenüber ‚Sky Italia‘ und weiter: „Ich hoffe, dass dies der Tiefpunkt der Saison ist. Das Qualifying war ein Desaster und Projektleiter Tsuya hat für diese Situation die technische Verantwortung übernommen. Es ist ein wenig ermüdend zu hören, dass sich unsere Fahrer weiterhin beschweren, weil sie nicht glücklich sind und sie auf Weiterentwicklungen warten, die erst noch kommen werden.“
Dass sich Tsuya öffentlich bei Rossi und Vinales für die aktuell schwache Performance der Yamaha M1 entschuldigte, bezeichnet Jarvis als durchaus ungewöhnlich: „Was wir erlebt haben, war nicht normal. Für einen Japaner ist Ehre ein wesentlicher Bestandteil der Kultur. Sich vor die Presse zu stellen und einzugestehen, ‚es ist meine Schuld‘, ist nicht einfach.“
Rossi formuliert es etwas anders. „Mir ist es wichtiger, dass sie das Bike verbessern. Das ist das einzige, was zählt“, so der siebenmalige Weltmeister der Königsklasse, um auf die Frage, ob die Entschuldigung von Tsuya notwendig gewesen wäre, zu antworten: „Ich bin nicht derjenige, der das abwägen muss.“
Auf die Frage, ob er dem Yamaha-Projektleiter noch zu 100 Prozent vertrautet, entgegnet Rossi vielsagend mit einem Lachen: „Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich arbeite für Yamaha und meine Aufgabe besteht darin, dass Maximum herauszuholen und Ansätze für Verbesserungen aufzuzeigen. Ab diesem Punkt kann ich leider nicht mehr tun.“
Wie Rossi darlegt, mangelt es der Yamaha M1 derzeit nicht nur an einer wettbewerbsfähigen Elektronik. „Das Chassis unseres Motorrads ist meiner Meinung nach gut. Der Schwachpunkt ist aber nicht nur die Elektronik, sondern auch der Motor“, erklärt „The Doctor“.
Dazu Teammanager Jarvis: „Es ist nicht so, dass wir bei Yamaha die Situation nicht verstehen würden. Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht und müssen diesen jetzt korrigieren. Wir müssen wahrscheinlich in bestimmten Bereichen der Motorenentwicklung mehr investieren und müssen das System anpassen. Das können wir aber, denn wir sind stark. Wir haben großartige Ingenieure und wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir es schaffen können. Wir werden es auch in Zukunft wieder schaffen.“
Sowohl Rossi als auch Vinales haben erst kürzlich bis einschließlich der Saison 2020 bei Yamaha verlängert. Wie lange es dauern wird, bis der japanische Hersteller in die Erfolgsspur zurückgefunden hat, vermag aber auch Jarvis nicht konkret zu beantworten: „Ich bin kein Ingenieur. Deshalb fällt es mir schwer, das zu verstehen. Wir arbeiten, aber liegt auf der Hand, dass wir Rückstand haben. Die Lücke zwischen uns und den anderen ist offensichtlich, aber es ist nicht einfach, diese in kurzer Zeit zu schließen.“
Verhalten fügt Jarvis hinzu: „Ich glaube, dass wir nächstes Jahr definitiv eine Rolle spielen werden. Wir haben aber keine Geduld. Wir wollen schon jetzt vorn dabei sein. Wir haben jetzt noch acht Rennen vor uns und wollen den Piloten das Beste an die Hand geben.“ Vor dem kommenden Rennen, dem Grand Prix von Großbritannien in Silverstone am 26. August, wird Yamaha wie unter anderem auch Aprilia in Misano testen. Nach dem Silverstone-Rennen steht im Motorland Aragon ein weiterer Test für Yamaha auf dem Plan.
Text von Mario Fritzsche & Oriol Puigdemont
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