(Motorsport-Total.com) – Johann Zarco und Valentino Rossi verkörpern zwei Generationen von Rennfahrern. Auf der einen Seite der neunfache Champion voller Erfahrungsschatz und Routine, auf der anderen der Neuling, der sich erst einen Namen mit überragenden Leistungen erarbeitet.
Beide fahren sie eine Yamaha M1, Zarco überflügelt als Satellitenpilot die Werksfahrer des Öfteren. Zuletzt erst geschehen im Jerez-Qualifying. Der Franzose war wohl eine der begehrtesten Aktien auf dem Fahrermarkt, bevor er sich für einen Wechsel zum österreichischen Hersteller KTM entschied. Dazu soll auch Rossi beigetragen haben, wie am Rande des Spanien-Wochenendes nun bekannt wurde.
Denn Zarcos Manager, Laurent Fellon, gab ‚Eurosport Frankreich‘ ein äußerst offenes Interview. Der Franzose erläuterte unter anderem, wie es zu der KTM-Entscheidung kam und warum Zarco nicht bei Yamaha blieb. „Blicken wir zurück. Eric de Seynes (Manager bei Yamaha Europa; Anm. d. Red.) war es, der uns viel geholfen hat. Er hat alles versucht. Ich nenne explizit Eric, weil uns von Yamaha niemand entgegengekommen ist“, erklärt Fellon.
Hintergrund: Nachdem Vinales und Rossi ihre Verträge mit Yamaha verlängert und Tech 3 die Partnerschaft mit den Japanern mit Saisonende aufgekündigt hatte, gab es keinen Platz mehr für den zweifachen Moto2-Champion. In Katar kam eine neue Idee auf, wie man den begehrten Fahrer dennoch halten könnte. „Es gibt die Chance, einem dritten Fahrer eine Werksmaschine zu geben. Wir denken darüber nach. Doch zuerst einmal müssen wir ein Team finden“, kommentierte Yamaha-Rennleiter Lin Jarvis die Situation.
Rossi wehrt sich: „Habe kein Veto“
Schon nach seiner überragenden Rookie-Saison wurde Zarco 2018 nicht mit einem Werksbike belohnt, Yamaha wollte der Strategie treu bleiben. Tech 3 bekam zwei ältere Maschinen. Auch das scheint ein Beweggrund für Teamchef Herve Poncharal gewesen zu sein, mit KTM einen Deal abzuschließen. Zarco fühlte sich offensichtlich ebenfalls von Yamaha im Stich gelassen. Und nun gießt Manager Fillon noch mehr Öl ins Feuer, indem er sagt: „Eric tat alles, was möglich war, um uns eine Werks-Yamaha zu besorgen. Es ist aber nur deshalb nicht passiert, weil Valentino alles blockiert hat. Das kann ich jetzt ja sagen.“
Diesen Vorwurf ließ der „Doktor“ nicht auf sich sitzen. Gegenüber ‚Sky Italia‘ konterte der 39-Jährige, angesprochen auf den Vorwurf. „Ich verstehe nicht, warum er das sagt. Das stimmt einfach nicht“, wehrt er sich gegen die Anschuldigungen. „Ich habe nicht einmal ein Veto gegen meinen Teamkollegen, also habe ich auch keines gegen einen dritten Fahrer.“ Nachsatz: „Da war er etwas zu einfallsreich“, bezichtigt Rossi Fellon der Lüge.
Das Zarco-Lager ist auf den neunfachen Weltmeister also nicht gut zu sprechen. Rossi habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit Zarco im kommenden Jahr nicht auf einem gleichen Bike wie er selbst sitzt. Dabei scheint Yamaha in Kauf genommen zu haben, Zarco an einen anderen Hersteller zu verlieren. Pikant: Jarvis meinte noch beim Saisonauftakt: „Ich glaube nicht, dass es Johann an Unterstützung seitens Yamaha fehlt.“
Yamaha erhörte Zarcos Wunsch nicht
Allerdings sicherte Yamaha nicht zu, Zarco 2019 mit einer Werks-Yamaha auszustatten. Obwohl genau das seine oberste Priorität war, wie er bereits in Katar festmachte: „Einen Platz im Werksteam ins Visier zu nehmen, ist ein wichtiger Schritt für die Karriere eines Fahrers, um in Zukunft einen Weltmeistertitel anzustreben.“ Nachsatz: „Solange ich vorne mitkämpfen kann, verdiene ich es.“
Andere Werke haben bereits vorgemacht, dass sich eine solche Entscheidung positiv auswirken kann: Ducati stellt Pramac-Ducatis Danilo Petrucci eine 2018er-Maschine zur Verfügung. Und Cal Crutchlow hat seinen neuen Vertrag direkt mit Honda abgeschlossen, er sitzt bei LCR ebenfalls auf einem 2018er-Modell. Immerhin konnte der Brite 2018 damit bereits ein Rennen gewinnen und die Weltmeisterschaft anführen.
Auch mit dem Honda-Lager führte Zarco Gespräche über die Zukunft. Allerdings war bei HRC der übermächtige Marc Marquez im Weg. Fellon erklärt: „Es wäre nicht gut, Johann neben Marquez zu positionieren. Denn Marquez ist immerhin Marquez.“ Bereits Zarco selbst merkte am Donnerstag an, dass er wohl besser fahren müsste als der Weltmeister, um den Spanier mit den gleichen Waffen zu schlagen.
Honda & Suzuki waren keine Optionen
Auch Suzuki war keine Option. Dort scheint der Platz von Andrea Iannone zu wackeln, wobei sich auch ein gewisser Jorge Lorenzo dafür interessiert. Zarco hatte vor seinem Tech-3-Engagement bereits einen Vorvertrag mit den Japanern unterzeichnet, dieser wurde aber vorzeitig aufgelöst. „Suzuki hat uns rausgeworfen. Jetzt kamen sie zu uns zurückgekrochen – jemand, der dich vorher noch rausgeschmissen hat. Sie hätten einfach nur ein bisschen mitdenken müssen“, kommentiert Fellon knapp.
Daher fiel die Entscheidung schließlich auf KTM. „Die wollten einen Fahrer wie Johann wirklich haben. Gemeinsam mit Red Bull werden wir Johanns Flügel heben.“ 2019 wird Zarcos Traum von einem Werksbike damit in Erfüllung gehen – wenn auch nicht in Blau, sondern Orange.
Text von Maria Reyer
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