„Wenn ein Motor ernsthaft auf Spitzenleistung getunt werden soll, führt kein Weg an
einer schärferen Nockenwelle vorbei.“
Nocken, die
20° länger öffnen (also 10° frühere Öffnung und 10°
späteres Schließen) als die Serienteile, bringen schon eine ganz
erhebliche Leistungssteigerung. Diese liegt bei 10-20% und findet immer im
oberen Drehzahlbereich statt. Da bei einer Verlängerung der Steuerzeiten
die maximale Leistung auf höhere Drehzahlen verschoben wird, solltest du prüfen,
ob nicht Regionen erreicht werden, die der Motor mechanisch nicht mehr
verkraftet. Robuste Serienmotoren mit geringer Literleistung und drehzahlfestem
Nockentrieb können auch 30° oder sogar 40° mehr Öffnung
vertragen, während mechanisch ausgereizte Hochleistungsmotoren, die mit 98%
vom maximalen Drehmoment in den Drehzahlbegrenzer rauschen, nicht mal 5°
zulassen. In solchen Motoren, die von der Dauer der Öffnung her am Limit
sind, bringt eher eine Vergrößerung des Ventilhubs zusammen mit mehr
Überschneidung etwas.
Auch wenn es dir vor allem um mehr Drehmoment geht, solltest du dir
eine Nockenwelle anfertigen lassen, die gleiche oder kürzere Steuerzeiten,
aber einen vergrößertem Hub hat. Sie wird evtl. aber auch die
Leistung im oberen Drehzahlbereich noch leicht erhöhen können. Der
Ventiltrieb wird durch ein solches Profil wesentlich höher belastet. Ich
kenne aber Motoren, in denen solche Nocken auch mit den Serienventilfedern prima
funktionieren. Wenn der Motor nur im unteren und mittleren Drehzahlbereich
Leistung haben soll, kannst du die Steuerzeiten deutlich und den Hub etwas verkürzen.
Dazu noch kleinere Vergaser und der Motor wird von unten wie ein Ochse ziehen.
Beim Drehen wird ihm dann aber schnell die Luft ausgehen.
Es gibt Betriebe, die sich auf das Anfertigen von Nockenwellen
spezialisiert haben. Wenn noch keine Erfahrungswerte für einen Motor
vorliegen, solltest du mit diesen Leuten abklären, was möglich und
sinnvoll ist. Die machen den ganzen Tag nichts anderes und wissen inzwischen,
was sie tun. Sag ihnen, was du mit deinem Motor vorhast, und die finden was
Passendes. Ich habe gute Erfahrungen mit den Firmen Campro und Schrick gemacht,
aber es gibt auch namhafte andere (Megacycle, Großewächter usw.).
Die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, eine
scharfe Nockenwelle herzustellen, ist das Umschleifen einer Seriennockenwelle.
Hierbei wird der Grundkreis abgetragen, so daß auf dem Nocken genug "Fleisch"
entsteht, um das Profil umarbeiten zu können. Da diese Maßnahme den
Flächendruck erhöht und eine erhebliche Verstellmöglichkeit des
Ventilspiels erfordert, kommt sie fast nur für robust konstruierte Motoren
mit Einstellschrauben für das Ventilspiel in Frage. Man könnte auch
den Ventilsitz tiefer fräsen, aber dadurch sinkt die Vorspannung der
Ventilfeder (kann man durch Unterlegen der unteren Ventilfederteller
kompensieren) und der Brennraum muß im Einlaßbereich nachgearbeitet
werden.
Die bessere, aber auch teurere Lösung ist das Aufbringen von Material
auf die Nocke vor dem Umschleifen oder noch besser der Einbau einer speziell
angefertigten Nockenwelle.
Die Einstellung der veränderten Nockenwellen sollte dann so
erfolgen wie das Justieren der Serienteile. Also Überschneidung in oder
kurz vor OT, die Nockenwellen mal ein bißchen nach außen, mal ein bißchen
nach innen drehen und natürlich immer die Prüfung auf ausreichende
Freigängigkeit der Ventile.
Da eine starke Überschneidung
der Ventile im OT die Abgaswerte verschlechtert, ist sie bei Serien-motoren
meistens relativ gering. Hier geht noch was. In vielen Fällen verbessert
eine stärkere Über-schneidung auch die Leistung im mittleren
Drehzahlbereich. Es kann also gut sein, daß eine scharfe Nocke mit maßvoll
längeren Öffnungszeiten und deutlich höherer Überschneidung
eine höhere Spitzenleistung ereicht und trotzdem die Leistung im mittleren
Bereich steigt oder zumindest gleichbleibt. Im unteren Drehzahlbereich wirst du
aber immer etwas verlieren.
Wenn du also eine Nocke mit 20° mehr Öffnung
hast, solltest du auf jeden Fall mal versuchen, davon nur 5° für den
späteren Einlaßschluß bzw. früheren Auslaßbeginn,
aber 15° für die Überschneidung zu nehmen. Und wenn du für
einen Motor mit geringer Überschneidung eine schärfere Nockenwelle
anfertigen läßt, überleg dir, ob du einen Teil der Öffnungszeit
für die Überschneidung brauchen wirst. (Natürlich wird aber auch
schon die längere Öffnungszeit die Überschneidung erhöhen.)
Ein Anhaltswert: Die Überschneidungshöhe in Rennmotoren
liegt bei ca. 40% des maximalen Nocken-hubs. Gerade die starke Überschneidung
wird durch die Freigängigkeit der Ventile zum Kolbenboden (Einl.1,5mm/
Ausl. 1,0mm) und zueinander eingeschränkt. Bevor du dir eine zu
optimistische Nockenwelle anfertigen läßt, solltest du prüfen,
wieviel Luft hier noch ist oder sich schaffen läßt.
In Motoren mit hohem Bohrung/Hub-Verhältnis sind die Brennräume
konstruktionsbedingt sehr flach, um eine hohe Verdichtung zu erreichen. Dadurch
ist auch der Abstand der Ventile zum Kolbenboden sehr klein und du wirst fast
immer die Ventiltaschen tiefer setzen müssen.
Da oft der Ventiltrieb das Kriterium ist, das die Drehzahl begrenzt,
besteht hier die Möglichkeit, durch Gewichtserleichterungen Spielraum für
höhere Drehzahlen zu schaffen. Das können leichtere Ventile, Stößel
und Federteller sein. Du kannst dir diese Teile aus Titan anfertigen lassen.
Titan ist aber nicht nur sauteuer und schwer zu bearbeiten, es hat auch
furchterregend schlechte Reibwerte und deswegen müssen die Oberflächen
beschichtet werden. Da inzwischen immer mehr Hersteller ihre Topmodelle serienmäßig
mit Titanventilen bestücken, werden diese in den nächsten Jahren auch
immer häufiger bei deinem Schwager, dem Motorradschlachter zu finden sein.
Oder du versuchst, an die Daten dieser Ventile (Ventilgröße, Länge
und Schaftdurchmesser etc.) heranzukommen, so daß du sie als Neuteile beim
Händler besorgen kannst. Für viele OHV-Motoren werden verbesserte
(leichtere, steifere) Stößelstangen angeboten, die die möglichen
Drehzahlen erhöhen. In Motoren mit langen Stößelstangen ist oft
weniger das Gewicht als die Labilität der Stößelstangen das
Problem. Da auch die Ventilfedern mit ca. der Hälfte ihres Gewichts zu den
beschleunigten Massen gehören, solltest du sehen, ob es nicht leichtere
Exemplare mit gleicher Federrate gibt. Stärkere Ventilfedern sollten das
letzte Mittel sein. Bei schärferen Nockenwellen mit längeren Öffnungszeiten
und unverändertem Hub hat der Nocken mehr Zeit, die Ventile zu öffnen
und zu schließen. Dadurch sinkt die Ventilbeschleunigung und die mögliche
Drehzahl steigt. Selbst bei größerem Ventilhub und verlängerten
Steuerzeiten könnte also die Beschleunigung der Ventile gleichbleiben.
Durch einen größeren Ventilhub wird die Ventilfeder stärker
komprimiert, so daß manchmal sogar dazu geraten wird, eine etwas schwächere
Feder einzubauen. Als groben Anhaltspunkt kannst du rechnen, daß eine
Nocke, die 20° länger öffnet, bei 1mm mehr Hub eine ungefähr
der Serie entsprechende Ventilbeschleunigung hat und durch die stärker
komprimierte Ventilfeder über eine etwas höhere Drehzahlfestigkeit
verfügt. Erst Nocken mit steileren An- und Abstiegen oder eine stark
gestiegene Drehzahl würden eine stärkere Feder erforderlich machen. Da
eine stärkere Feder höhere Materialbelastungen mit sich bringt,
solltest du aber immer zuerst versuchen, durch Erleichtern des Ventiltriebs zum
Ziel zu kommen. Stärkere Ventilfedern und größere Ventilhübe
belasten bei niedrigen Drehzahlen die Nockenspitzen, so daß das Standgas
erhöht werden sollte.
Bei den früher weitverbreiteten Schlepp- und Kipphebeln
(Schlepphebel kommen gerade wieder in Mode) kann man durch Umschleifen den
Radius der Lauffläche des Hebels vergrößern und dadurch die
Ventilerhebungskurve verändern. Das macht aber heute kaum noch einer, weil
die Ventilbeschleunigung erheblich zunimmt und der Nockentrieb schnell zum
Hammerwerk wird.
Der Ventilhub im Einlaß liegt meist bei 25-30%
des Ventiltellerdurchmessers. Mehr als 30% bringen keinen Leistungsgewinn, weil
der dafür erforderliche Kanaldurchmesser nicht vorhanden sein kann und die
mögliche Drehzahl durch die hohe Ventilbeschleunigung unnötig
eingeschränkt wird. Wenn du das für deinen Motor nachrechnen möchtest.
Wirksamer Ringspalt am Ventil = Ventildurchmesser x pi x Ventilhub x 0,71. Die
0,71 sind ziemlich genau der Sinus von 45° (0,7071067). Dieser Faktor ist
aber nur ein Näherungswert und berücksichtigt den Winkel, in dem der
Gasstrom am Ventil in den Brennraum eintritt.
Also z.B. für ein 40er Einlaßventil mit 12mm (30%) Ventilhub
1070mm². Ein Kanal mit 36mm Durchmesser hat einen Querschnitt von 1017mm².
Und da gehen noch die gut 27mm² ab die ein 6mm Ventilschaft hat. Bleiben
noch 990mm² In diesem Fall wäre die Ventilöffnung also zu groß.
Beim Auslaßventil liegt der relative Hub oft höher, weil
die Strömungsgeschwindigkeit schon zu Beginn des Auslaßtaktes am höchsten
ist und das meist kleinere und leichtere Auslassventil stärkere
Beschleunigungen ermöglicht.
Wenn du aber die Steuerzeiten gefunden hast, die deinen Motor mit der
gewünschten Leistungscharakteristik laufen lassen, kannst du nochmal
versuchen, den maximalen Nockenhub zu erreichen, den dein Ventiltrieb noch
sauber verarbeiten kann. Das wird sich fast immer lohnen.
Ein Praxistipp:
Wenn du die Steuerzeiten für eine Nockenwelle aufgezeichnet hast,
kannst du dich bei allen weiteren Einstellungen an der Höhe des Ventilhubs
im OT orientieren. Du weißt z. B., dass das Einlassventil im OT 2,5 mm geöffnet
ist und willst den Einlassschluss um 4° zurückverlegen. Dann schaust
du auf die Kurve und kannst hier z.B. sehen, daß der Wert dafür 2,15
mm betragen muß. Den stellst du dann auf der OT-Markierung (,die du ja
genau ermittelt und markiert hast) ein. Du sparst dir so die aufwendigere
Einstellung mit der Gradscheibe.
Nach dem Einbau einer schärferen Nockenwelle wird der
Kompressionstester eine geringere Verdichtung messen. Die geometrische
Verdichtung wird natürlich
Nocken für
Kipphebelsteuerung.
Links die scharfe Version mit längerer Öffnung
und mehr Hub.