„Steuerzeiten, ein wirklich lohnender Bereich für den Tuner. Die Wahl
der Steuerzeiten bestimmt ganz wesentlich den Charakter eines Motors. Ich würde sogar so weit
gehen, zu sagen, daß ein Motor um die Steuerzeiten herum gebaut wird.“
Selbst mit den Seriennockenwellen läßt sich
über ein genaues Einstellen der Steuerzeiten oft einiges an Leistung
finden. Schon geringe Abweichungen vom Optimum bewirken einen weit unter seinen
Möglichkeiten laufenden Motor. Eine verschlissene Steuerkette,
verschlissene Gleitschienen oder un- genau gefertigte Bohrungen in den Kettenrädern
führen dazu, daß ein Motor nur selten exakt eingestellte Steuerzeiten
hat. Ein Versatz um nur 2,5° an der Nockenwelle bedeutet 5°
Kurbelwelle und eine Leistungskurve, die deutlich schlechter verläuft als
mit korrekten Steuerzeiten.
Über den theoretischen Hintergrund
dieser Maßnahmen gibt es sehr viele gute Bücher (ich empfehle zu
diesem Thema gerne Ludwig Apfelbecks "Wege zum Hochleistungs-Viertaktmotor"
), die sich über zig Seiten damit beschäftigen. Da ich hier eine
praktische Anleitung geben und mir mit meinen zwei Fingern keinen Wolf schreiben
will, beschränke ich mich auf wenige Punkte.
Einstellen der Steuerzeiten.
Das Einlaßventil muß, da es sich nicht beliebig schnell öffnen läßt,
schon vor dem OT öffnen, um zum Beginn des Ansaugvorganges einen
ausreichend großen Querschnitt freizugeben.
Die Ansaugsysteme
sind schwingungstechnisch so ausgelegt, daß zu diesem Zeitpunkt eine
Druckwelle im Ansaugtrakt den Beginn der Füllung unterstützt. Das ist
notwendig, weil der Kolben hier noch sehr langsam ist und keinen wirksamen
Unterdruck aufbaut. Je nach Pleuellänge erreicht der Kolben schon kurze
Zeit später, nämlich deutlich vor 90° nach UT (je kürzer das
Pleuel im Verhältnis zum Hub, umso früher), seine maximale
Geschwindigkeit und die Gassäule würde sonst stark hinterherhinken.
Wenn der Kolben dann den UT erreicht, hat die Gassäule im
Ansaugkanal bei hohen Drehzahlen noch soviel Bewegungsenergie, daß sie
gegen die beginnende Aufwärtsbewegung des Kolben weiter Gemisch in den
Brennraum drückt. Erst wenn diese beiden Effekte sich aufheben, sollte das
Einlaßventil schließen. Bei niedrigen Drehzahlen und einer langsamen
Gassäule bedeutet das natürlich, daß ein Teil des Gemischs
wieder in den Ansaugtrakt zurückgedrückt wird und die Leistung sinkt.
(Das ist der wesentliche Grund, aus dem Motoren mit scharfen Steuerzeiten bei
niedrigen Drehzahlen so schlapp laufen.) Die Gassäule hat aber immer noch
eine gewisse Energie, wenn sie auf das inzwischen geschlossene Einlaßventil
trifft. Dieser Impuls wird ein reflektiert und im günstigen Fall
(Drehzahlbereich) wieder als Druckwelle auf das sich öffnende Einlaßventil
stoßen.
Der Auslaßbeginn muß vor UT liegen, um die Abgase, die ja
unter Druck stehen, rechtzeitig in den Auslaß strömen zu lassen,
damit der Kolben in seiner Aufwärtsbewegung nicht gegen einen Überdruck
arbeiten muß. Das Auslassventil ist aber beim Erreichen des OTs noch geöffnet,
weil die Strömung des Abgases so den Beginn des Ansaugvorgangs unterstützen
kann. (Nur durch diesen Effekt sind Füllungen über 100% überhaupt
möglich). Auch diese Werte sind immer ein Kompromiss, der bei niedrigen
Drehzahlen einen Teil der Energie verschenkt. Wichtig bei diesen Vorgängen
ist auch die gute Spülung des Brennraums von verbrannten Gasen. Der Kolben
kann mit seiner Aufwärtsbewegung nur den Hubraum leeren. Ohne die Überschneidung
der Steuerzeiten würde ein Teil der Füllung aus praktisch
sauerstofflosem Abgas bestehen.
Kurze Zusammenfassung:
Am wichtigsten ist er Einlaßschluß, aber er muß mit
vielen anderen Faktoren harmonieren. Ein späterer Einlaßschluß
verschiebt die maximale Leistung in höhere Drehzahlbereiche und verringert
die Leistung bei niedrigen Drehzahlen. Ein früherer sorgt dafür, daß
der Motor "Drehmoment" hat. Passend dazu muß der Auslassbeginn
liegen. Bei den meisten Motoren sind die Steuerzeiten symmetrisch oder annähernd
symmetrisch.
Z.B:
Auslaß öffnet 60° vor UT schließt 30° nach OT
Einlaß öffnet 30° vor OT schließt 60° nach UT
D. h. , daß Einlaß und Auslaß gleichlang geöffnet
sind (270°) und die Kurven sich im OT überschneiden
Man trifft aber nicht selten auf unsymmetrische Nockenwellen, bei
denen die Auslaßöffnung etwas kürzer ist als die Einlaßöffnung.
Hier sollte die Überschneidung vor OT erfolgen. Bei Nocken, deren Auslaß-öffnung
länger ist, entsprechend nach OT.
Bei diesen unsymmetrischen
Nocken solltest du dich eher an Auslaßbeginn und Einlaßschluß
orientieren. Für die Grundeinstellung sollten diese beiden Werte gleich
hoch, bzw. etwas nach vorne verschoben sein.
In der Literatur finden
sich unterschiedliche Angaben zum Thema maximal später Einlaßschluß.
Die meisten Autoren haben sich auf 60-65° geeinigt. Dieser Wert ist bezogen
auf 1mm Ventilhub. Leider gibt es bei den Angaben zu den Steuerzeiten für
den gleichen Nocken sehr unterschiedliche Werte. Die einen beziehen sich auf die
Öffnung ab Ventilspiel, andere auf 0,5 oder 1mm Ventilhub. Dadurch ergeben
sich für gleiche Nocken erheblich unterschiedliche Angaben. So kann es
leicht passieren, daß eine "320°-Nocke", bei 1mm Ventilöffnung
gemessen, auf realistischere 270° zusammenschnurrt. Und selbst die wäre
schon ein ganz schön scharfes Teil. Wenn du eine andere Nockenwelle
einbauen willst, erkundige dich, auf welches Maß sich die Gradangaben
beziehen. Oder laß dir ein Diagramm der Steuerzeiten geben, damit du sie
mit den Werten der Originalnocke vergleichen kannst.
Jetzt zum praktischen Teil:
Mit einer Gradscheibe und einer Meßuhr
ermittelst du zuerst den genauen OT. Verlaß dich nie auf die OT-Markierung
auf der Kurbelwelle. Hier zählt wirklich jedes einzelne Grad. Dann nimmst
du mit der Meßuhr alle 5° die Öffnung der Ventile ab. Diese
Werte lassen sich auf Millimeterpapier gut und aussagekräftig eintragen und
verbinden. Bei dieser Messung muß die Kurbelwelle immer in
Betriebsrichtung gedreht werden.
Ein ganz wesentlicher Punkt ist der Überschneidungspunkt
der Ventilkurven, d.h. die gleiche Öffnung von Ein- und Auslaßventil.
Dieser sollte bei symmetrischen Nocken kurz vor oder im OT liegen. In hoch
drehenden Motoren mit elastischen Ventiltrieben etwas weiter (max. 5°)
davor. In OHV-Motoren mit langen Stößelstangen ausnahmsweise auch
mal bis 10° vor OT. Ludwig Apfelbeck behauptet, daß sich bei solchen
Ventiltrieben die Steuerzeiten bei hohen Drehzahlen bis zu 15° verstellen.
Ich hab mal irgendwo die offiziellen Steuerzeiten für eine 2V-Boxer-BMW
gesehen und glaube ihm das.
Für den optimalen Überschneidungspunkt spielt auch die Auslegung
von Einlaß- und Auslaßtrakt eine Rolle. Also ausprobieren.
Bei
Motoren mit nur einer Nockenwelle solltest du die Überschneidung
entsprechend einstellen. Hierdurch kannst du den Motor leistungsmäßig
an den oberen Rand der Serienstreuung bringen.
In Motoren mit zwei Nockenwellen hast du zusätzlich die Möglichkeit,
die Steuerzeiten von Ein- und Auslaß unabhängig voneinander zu
verstellen. Das heißt, daß du z.B. den Einlaßschluß später
und den Auslaßbeginn früher legst. Dadurch wird ein Leistungsgewinn
im oberen Drehzahlbereich erreicht. Die Leistung bei niedrigen Drehzahlen wird
sinken. Entsprechend bewirken ein späterer Auslaßbeginn und ein früherer
Einlaßschluß eine Verbesserung der Leistung bei niedrigen und einen
Verlust bei hohen Drehzahlen.
1-2° Verstellung wirst du schon merken können. 3°
Verstellung bemerkt jeder. Mehr als 5° werden nur sehr selten noch etwas
bringen, weil durch diese Verstellung immer auch die Höhe der Überschneidung
verändert wird. Deswegen ist diese Maßnahme mit Seriennockenwellen
nur in engen Grenzen erfolgreich.
Da die Steuerzeiten in Großserienmotoren
immer ein Kompromiß zwischen ausreichend Leistung bei niedrigen und genug
Leistung bei hohen Drehzahlen sind, läßt sich hiermit aber oft schon
erfreulich viel erreichen.
Die meisten Nockenwellen werden über
eine Steuerkette und ein auf die Nockenwelle geschraubtes Kettenrad angetrieben,
so daß du einfach die Bohrungen in den Kettenrädern mit Langlöchern
versehen und darin die Nockenwellen verschieben kannst. Für manche Motoren
werden solche Kettenräder schon fertig im Zubehörhandel angeboten. Bei
verpressten Zahnrädern müssen diese abgedrückt und versetzt
aufgepresst werden. Ich habe bisher nur einen Motor bearbeitet, bei dem die
Kettenräder mit den Nocken vergossen waren. Da mußte ich mit den
Kettenführungen tricksen.
Darstellung der Steuerzeiten und des Gaswechsels.